Die Messer fliegen tief, nachdem der grüne Vizekanzler Werner Kogler der Wirtschaftskammer vorwarf, sie habe Russlands Staatschef Wladimir Putin in der Vergangenheit "den roten Teppich" inklusive "Schleimspur" ausgerollt. Für seine Worte wird Kogler von vielen gefeiert: Waren die Lobbyaktionen der Kammer beim Kremlchef nicht ein Fehler, geradezu peinlich mit den Standing Ovations für Putin in Wien?

Der grüne Vizekanzler Werner Kogler will an der planmäßigen Einführung der CO2-Bepreisung festhalten.
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Wer nun auf die Unternehmer und ihre Verbände wegen der Russland-Connection hinhaut, macht es sich zu leicht. Westliche Unternehmen sind in den vergangenen drei Jahrzehnten auf den russischen Markt gestürmt, von McDonald’s über Coca-Cola bis zu Raiffeisen. Das sah für alle nach einem guten Deal aus: für die Unternehmen, weil sie in Russland gutes Geld verdienten. Für die russische Gesellschaft, weil die westlichen Firmen Jobs brachten. Österreich war vorn dabei: Das Land versteht sich als Brückenkopf Richtung Osten, Wirtschaftskammer und die Außenpolitik unterstützen, wo sie konnten.

Dabei wurde immer schon darüber hinweggesehen, dass Russland keine Demokratie ist, Oppositionelle und Medien unterdrückt werden. Der Kreml ließ seine Feinde im Ausland ermorden, wie den Ex-Spion Alexander Litwinenko, der in London mit radioaktivem Polonium vergiftet wurde. Das Darüber-Hinwegsehen hat sich auch nach der militärischen Annexion der Krim nicht geändert – sondern bricht erst jetzt auf.

Sich so wie Kogler abzuputzen ist zu einfach, weil hier eine grundlegende Frage aufgeworfen wird: Mit wem dürfen wir Geschäfte machen? Autokratische Regime, die sich aggressiv gegenüber Nachbarn verhalten und mit denen wir gute wirtschaftliche Kontakt haben, gibt es viele. China, Saudi-Arabien, Aserbaidschan, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kasachstan. Kogler sprach seine Kritik aus, während seine Energieministerin Leonore Gewessler gerade in den Emiraten war, um eine Kooperation mit den Scheichs zu fixieren, damit Österreich mehr Flüssiggas bekommt. Die Emirate sind selbst eine Diktatur, die Menschenrechte mit Füßen tritt. Sie bombardieren als Partei im Bürgerkrieg zivile Ziele im Jemen.

Wie wir mit aggressiven Autokraten umgehen, betrifft aber nicht nur Unternehmen und Politik. Auch als Gesellschaft haben wir bei Russland zu lange weggeschaut. Woher das billige Gas kommt, wussten alle. Wo sind Grenzen zu ziehen? Müssen wir zur Verteidigung liberaler Prinzipien bereit sein, auf Wohlstand zu verzichten? Alle sollten nachdenken.(András Szigetvari, 9.3.2022)