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Polen will all seine 28 MiG-29 der Ukraine zukommen lassen. Das halten viele für keine gute Idee.

Foto: Reuters/Kacper Pempel

Kampfflugzeuge an die Ukraine liefern oder nicht? Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert sie vehement, nun prescht Polen vor und will diesem Wunsch nachkommen. Aber wie genau soll das funktionieren? Und welche Risiken gibt es dabei?

Frage: Worum geht es überhaupt?

Antwort: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert seit einiger Zeit militärische Unterstützung, um den Luftraum besser gegen die russischen Invasoren verteidigen zu können. In einer Videobotschaft am Mittwoch bekräftigte er sein Anliegen: "Treffen Sie so schnell wie möglich eine Entscheidung, schicken Sie uns Flugzeuge!" Zudem wiederholte er den Wunsch nach einer Flugverbotszone.

Frage: Wie hat der Westen reagiert?

Antwort: Die USA, die EU und zahlreiche europäische Länder wie Großbritannien, Deutschland oder Polen liefern unter anderem Panzerabwehrraketen, Flugabwehrraketen, gepanzerte Fahrzeuge, Sturmgewehre, Munition und Treibstoff an die Ukraine. Eine Flugverbotszone wird aber abgelehnt – würde dies doch ein direktes Eingreifen in den Krieg bedeuten. Kommt es zu einer Konfrontation von Nato-Streitkräften mit russischen Truppen, so die allgemeine Befürchtung, würde dies wohl den Dritten Weltkrieg heraufbeschwören. Aus demselbem Grund wird bislang von einer Lieferung von Kampfjets abgesehen, auch wenn es da Gegenstimmen gibt – unter anderem aus Polen.

Frage: Wie lautet der Vorschlag Polens?

Antwort: Polen fühlt sich dem angegriffenen Nachbarn besonders verbunden. Gleichzeitig misstraut es Russland zutiefst, wurde es doch schon mehrmals von dem Land besetzt. Polen will der Ukraine also mit allen Mitteln helfen, ohne selbst direkt in den Krieg mit hineingezogen zu werden. Dies führte zum – auch für die USA überraschenden – Vorstoß Warschaus: Man wolle alle seine MiG-29 kostenlos auf den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland verlegen, damit die USA diese dann in die Ukraine befördert, wenn die Vereinigten Staaten im Gegenzug Polen andere Flieger zur Verfügung stellen. Die Überlegung dahinter: Würden die USA den Transport verantworten, wäre mehr oder weniger die ganze Nato an Bord, und man stünde nicht alleine da. Passend dazu sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bei einem Besuch in Wien am Mittwoch, dass die Lieferung von Kampfflugzeugen in der Hand der Nato liege.

Frage: Wie haben die USA reagiert?

Antwort: Überrascht vor allem, schließlich war dieser öffentlich vorgetragene Vorschlag Polens keineswegs mit Washington akkordiert. Wenn das US-Militär und konkret ein US-Luftwaffenstützpunkt ins Spiel kämen, würde das "ernsthafte Bedenken für das gesamte Nato-Bündnis" aufwerfen, erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby. Auch Deutschland und Kanada warnten am Mittwoch vor einer Lieferung von Kampfjets.

Frage: Wieso polnische Kampfflugzeuge?

Antwort: Polen (28 MiGs) gehört laut dem Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS) neben der Slowakei (14) und Bulgarien (11) zu jenen EU-Ländern, die über die alten sowjetischen Kampfflugzeuge MiG-29 verfügen. Das ist deshalb relevant, weil die Ukraine auch über diese Flugzeuge verfügt und deren Piloten daher auch nur diese fliegen könnten. Eine Umstellung auf eine andere Flugzeugtype würde eine Zeitlang dauern – Zeit, die die Ukraine nicht hat.

Frage: Welche Konsequenzen würden Lieferungen von Kampfjets haben?

Antwort: Russland hat mehr als deutlich gemacht, was es von einer möglichen direkten Einmischung des Westens in der Ukraine hält: Präsident Wladimir Putin drohte in diesem Fall schon am vierten Tag der Invasion mehr oder weniger unverhohlen mit einem Nuklearschlag. Bereits die Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine sah Russland als Provokation. Und jüngst erklärte das Verteidigungsministerium: Sollten westliche Nachbarstaaten ukrainische Kampfflugzeuge beherbergen, würde man dies als "Verwicklung in den bewaffneten Konflikt" ansehen. Ob Russland tatsächlich ein Nato-Land angreifen würde, ist unklar. Auf alle Fälle würde sich die Situation weiter verschärfen.

Frage: Inwiefern würde die Lieferung der Kampfjets der ukrainischen Armee nützen?

Antwort: Militärexperte Franz-Stefan Gady vom IISS erklärte im Ö1-Morgenjournal, die Lieferung der MiG-29 sei "extrem gefährlich", gleichzeitig aber hätten die Flugzeuge einen "geringen militärischen Wert" – würden im Krieg in der Ukraine doch "nicht die großen Luftkämpfe stattfinden". Anderer Meinung ist Kurt Volker, einst Ständiger Vertreter der USA bei der Nato und Sondergesandter für die Beziehungen zur Ukraine. Gegenüber USA Today erklärte er, eine rasche Zunahme an ukrainischen Jets würde einen "großen Unterschied" ausmachen. Seiner Meinung nach würde sich die ukrainische Luftwaffe gegenüber der russischen Übermacht gut schlagen, eine zusätzliche Verstärkung wäre da sehr hilfreich: "Je mehr, desto besser". Der Guardian schreibt, dass weitere Kampfjets dafür sorgen könnten, dass der ukrainische Luftraum zumindest eine Zeitlang nicht gänzlich unter russische Kontrolle fallen würde – und sich Moskau gut überlegen müsste, Kiew aus der Luft anzugreifen. Doch das Hauptproblem für die Ukraine sei nicht Russlands Luftwaffe, sondern dessen Artillerie.

Frage: Wie könnte man Kampfjets überhaupt in die Ukraine liefern?

Antwort: Hier gibt es viele offene Fragen. Juristische: etwa, ob die USA überhaupt polnische Jets als "Spende" annehmen dürfen. Und vor allem logistische: Wer würde die Jets von wo auch immer in die Ukraine fliegen? Sind es ausländische Piloten, würde das wohl auch ein direktes Eingreifen des Westens bedeuten. Sind es ukrainische Piloten: Wie würde man die nach Ramstein befördern? Und wo in der Ukraine würden die Jets landen? Schließlich sind viele Flugplätze dort bereits zerstört, ebenso die Brücken, was einen Transport über den Landweg nahezu unmöglich macht. Polens Vorschlag steht auf äußerst wackeligen Beinen. (Kim Son Hoang, 9.3.2022)