Da hilft kein Regenschirm. EU und USA ziehen auch bei Präsident Alexander Lukaschenko die Daumenschrauben an. Neue Sanktionen dürften die teilstaatliche Telekom Austria in "Europas letzter Diktatur" schwer treffen.

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Wien – Mit der Verschärfung der Sanktionen gegen Belarus wird A1-Belarus, der Ableger der Telekom Austria (TA) in Minsk, zunehmend zum Klotz am Bein. Seit dem Erwerb 2007 hat die Auslandsgesellschaft der teilstaatlichen A1 Telekom Group mit Ausnahme des Jahres 2014 schöne Dividenden und zuletzt knapp zehn Prozent des Konzernertrags gebracht. Nun wird diese "Operation Unit" zunehmend zum Problem.

Denn die im EU-Verbund verhängten Handelsbeschränkungen gegen den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, von dessen Hoheitsgebiet die russische Invasion in der Ukraine erfolgte, wird auf Banken ausgeweitet. Details zum Rauswurf belarussischer Geldinstitute aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift wollten die EU-Staats- und Regierungschefs als Umlaufbeschluss festlegen respektive beim Sondergipfel am Donnerstag und Freitag.

Embargo behindert Dividendenfluss

Wiewohl Telekommunikation und dazugehörige Services offiziell (noch) nicht zum "großen Besteck" des Embargos gehören: Über kurz oder lang wird die TA ihre verlässlich gelieferten Dividenden aus dem lange Zeit als letzte Diktatur Europas geltenden Nachbarland von Russland und der Ukraine nicht mehr herausbekommen. Dann können von Minsk aus zwar lokale Dienste und Services erbracht werden, einfacher wird das Geschäft aber wohl nicht.

Weitere Turbulenzen in Aussicht

An Währungsschwankungen, Hyperinflation und Verfall des belarussischen Rubels ist man in der TA inzwischen gewöhnt. Derartiges dürfte allerdings bald zu den vergleichsweise kleineren Problemen gehören, mit denen sich die TA herumschlagen muss. Ungleich schwieriger dürfte mittelfristig beispielsweise die Beschaffung von Technik werden. Denn Mobilfunkantennen und dazugehörige Server und Software werden irgendwann ebenso wenig verfügbar sein wie Endgeräte für die Kunden. Wohl steht Telekommunikation bis dato explizit nicht auf Sanktionslisten. Wohl aber Technologie. Brüssel und Washington werden auf Dauer kaum zusehen, wie Hightech in geächtete Staaten transferiert wird.

All das erschwert die in der Telekommunikation notwendigen laufenden Investitionen, vom Ausbau neuer Technologie (Stichwort 5G) ganz zu schweigen.

Technologien unter Embargo

Noch sind die verschärften Bestimmungen im EU-Amtsblatt nicht kundgemacht. Die Ankündigung liest sich aber umfassend: Unter Embargo steht künftig die "Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck sowie von bestimmten fortgeschrittenen Gütern und Technologien, die zur militärischen, technologischen sowie verteidigungs- und sicherheitspolitischen Entwicklung von Belarus beitragen könnten"; Selbiges gilt auch "für die Erbringung damit verbundener Dienstleistungen", heißt es in der Mitteilung der EU-Kommission.

Stopp für neue Investments

Besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfährt der von América Móvil (Amov; 51 Prozent) kontrollierte größte Telekomkonzern Österreichs aufgrund seines Staatsanteils. Die Republik Österreich hält über die Staatsholding Öbag 28,42 Prozent an der TA. Ein Unterlaufen der Sanktionen wäre – wie bei der OMV, die ihre Aktivitäten in Russland einfriert – geradezu peinlich. Wiewohl die Bundesregierung hinsichtlich ihrer Beteiligungen klare Worte und vor allem wesentliche politische Entscheidungen bisher vermissen lässt: Wohin die Reise geht, zeigt die ausgegebene Losung: "Keine neuen Investments mehr".

Darauf verweist man auch in der Staatsholding Öbag, deren neue Vorstandschefin, Edith Hlawati, dem TA-Aufsichtsrat vorsteht. Darüber müsse der Aufsichtsrat befinden, sagt ein Sprecher. Kapitalvertreter sehen das weniger schmerzbefreit als der TA-Hauptaktionär aus Mexiko, dessen Aktien seinerseits an der Wall Street zweitgelistet sind. Den Amerikanern könnte das Engagement in Belarus früher oder später sauer aufstoßen, weil es mit den strengen Wohlverhaltensregeln für börsennotierte Unternehmen zunehmend schwer vereinbar scheint. Dafür müsse man gerüstet sein. In Belarus zählt A1 zusammen mit Raiffeisen Bank International (RBI) immer noch zu den größten Auslandsinvestoren.

Exit-Strategie gefragt

In der Aufsichtsratssitzung vor Weihnachten war die Problematik bereits Diskussionsthema – allerdings eher inoffiziell, wie es in Kapitalvertreterkreisen heißt.

Die Folge: Der Vorstand rund um TA-General Thomas Arnoldner muss eine Exit-Strategie erarbeiten. Diese soll in der Sitzung im Mai vorgelegt und diskutiert werden. Man bewerte die potenziellen Auswirkungen der Sanktionen laufend, gab sich A1-Group auf Anfrage des STANDARD wortkarg. Oberste Priorität habe das Wohlergehen der 3.200 Mitarbeiter in Belarus. Am Donnerstagvormittag stellte der Vorstand einen derartigen Auftrag in Abrede: "Es gibt keinen Auftrag des Aufsichtsrats an den Vorstand zur Erarbeitung einer Exit Strategie für Belarus."

Bis zur Enteignung

Klar ist: Ein Verkauf des Dividendenbringers, der seit Hyperinflation und Währungsverfall des belarussischen Rubels im Jahr 2014 nur noch zu Anschaffungskosten (970 Millionen Euro) in den Büchern steht, scheint wenig attraktiv. Als Worst Case gilt eine Enteignung, wie sie westlichen Firmen in Russland als Antwort auf die Sanktionen der Weltgemeinschaft bereits unverhohlen angedroht wurde. (Luise Ungerboeck, 10.3.2022)