Der Ursprung der mehrzelligen Lebewesen liegt im sogenannten Ediacarium vor rund 600 Millionen Jahren. Die ersten Versuche der Evolution in Richtung komplexer Körperformen hatten wenig mit der Fauna nachfolgender Erdzeitalter gemein: Die Ozeanböden waren mit dicken Bakterienmatten bedeckt, die von seltsam geformten Lebewesen ohne feste Schalen abgegrast wurden. Räuber im heutigen Sinn gab es wohl noch nicht. Vor 540 Millionen Jahren beendete ein gewaltiges Massenaussterben die mindesten 80 Millionen Jahre lange Herrschaft dieser fremdartigen Kreaturen. Was dann folgte, kennt man heute als kambrische Artenexplosion: Innerhalb von fünf bis zehn Millionen Jahren entwickelten sich beinahe alle heute noch existierenden Tierstämme.

Einschneidende Veränderungen

Mittlerweile gehen Wissenschafter etwas vorsichtiger mit diesem Begriff um. Eine wachsende Zahl von Funden lässt vermuten, dass das Ediacarium evolutionär mindestens ebenso ereignisreich war wie das Kambrium. Dass sich nach dem vorangegangenen Cryogenium mit seiner annähernd globalen Vereisung auf der Erde etwas dramatisch verändert hat, dürfte jedoch außer Zweifel stehen – das belegt nun sogar ein Blick tief in das Erdinnere.

Die Lebewesen des Ediacariums waren großteils fremdartige Kreaturen.
Illustr.: Ryan Somma

Das Team um Andrea Giuliani von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) staunte nicht schlecht: Bei der Untersuchung sogenannter Kimberlite stieß es auf Hinweise, dass die Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten sogar im unteren Erdmantel Spuren hinterlassen hatte. Kimberlite sind seltene vulkanische Gesteine aus unterschiedlichen Epochen der Erdgeschichte, die auch Diamanten enthalten können. In rund 150 Proben dieser Gesteine haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter unter anderem die Zusammensetzung der Kohlenstoff-Isotope gemessen; das sind Varianten des Kohlenstoffs, die sich durch die Anzahl der Neutronen im Kern unterscheiden.

Überraschend variantenreich

Die im Fachjournal "Science Advances" veröffentlichten Ergebnisse zeigten, dass die natürlicherweise weitgehend stabile Isotopen- Zusammensetzung bei Kimberliten ab einem Alter von 250 Millionen Jahren plötzlich deutlich mehr Varianten aufweist als alle älteren Steinproben. Den Auslöser für diese veränderten Zusammensetzungen in den jüngeren Gesteinen sehen die Forschenden in der schnellen Ausbreitung mehrzelligen Lebens vor über 550 Millionen Jahren.

"Die enorme Zunahme an Lebensformen in den Ozeanen veränderte das Geschehen an der Erdoberfläche entscheidend", sagt Giuliani. "Und dies wiederum wirkte sich auf die Zusammensetzung der Sedimente am Meeresgrund aus."

Kimberlite gelangen aus großer Tiefe an die Erdoberfläche. Das Bild zeigt den Dünnschliff eines karbonatreichen Kimberlits.
Foto: David Swart / Messengers of the Mantle Exhibition

Ein Teil dieser Sedimente mit den Resten abgestorbener Lebewesen gelangt durch plattentektonische Prozesse an Subduktionszonen allmählich in den Erdmantel. Die Sedimente vermischen sich dort mit anderem Gesteinsmaterial aus dem Erdmantel und steigen nach mindestens 200 bis 300 Millionen Jahren an anderer Stelle wieder an die Erdoberfläche auf – unter anderem in Form von Kimberliten.

Bahnen von Krusten- und Mantelmaterial

Dass Veränderungen in den Meeressedimenten so tiefgreifende Spuren hinterlassen, sei bemerkenswert – insgesamt werden bei einer Subduktionszone nämlich nur geringe Mengen an Sediment in die Tiefe verfrachtet. Dies könnte auch ein Hinweis auf die Vorgänge tief im Erdinneren sein: "Das bestätigt, dass das Gesteinsmaterial im Erdmantel nicht homogen verteilt wird, sondern sich entlang von bestimmten Bahnen bewegt", sagt Giuliani.

Die Forschenden haben auch bei den Isotopenverteilungen der Elemente Strontium und Hafnium ein ähnliches Muster wie bei Kohlenstoff festgestellt, was ihre Ergebnisse entscheidend untermauert. "Das heißt, dass die Isotopen- Signatur beim Kohlenstoff nicht durch alternative Prozesse wie Entgasung erklärt werden kann, denn sonst würden die anderen Elemente ein abweichendes Muster zeigen", sagt Giuliani. (tberg, red, 10.3.2022)