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Bluthochdruck, Vorhofflimmern oder Ablagerungen in Halsschlagadern: Ein Großteil der jährlich rund 20.000 ischämischen Schlaganfälle in Österreich, wenn ein verstopftes Gefäß die Ursache ist, geht auf Erkrankungen der Gefäße oder des Herz-Kreislauf-Systems zurück. Das Vorhofflimmern – eine Herzrhythmusstörung – bleibt oft lange unerkannt. Dabei kann es genau zu so einer gefährlichen Verstopfung führen. Forscher der Med-Uni Graz haben deshalb jetzt ein Tool entwickelt, um diese Ursache eines Schlaganfalls besser abzuklären. So will man wiederkehrende Schlaganfälle verhindern.

"Vorhofflimmern im Herzen wird von den Betroffenen oft nicht wahrgenommen, kann aber zu gefährlichen Folgeerkrankungen wie zum Schlaganfall, bei dem die Blutversorgung von Hirnarealen unterbrochen wird, führen", erklärt Markus Kneihsl von der Grazer Uni-Klinik für Neurologie. Bei dieser häufigsten Form der Herzrhythmusstörungen kommt es zu rasch aufeinanderfolgenden, nicht geordneten Impulsen (Flimmern) der Herzvorhöfe. Der Blutfluss wird verlangsamt, Blutgerinnsel können entstehen, und die Gefahr eines Schlaganfalls nimmt zu.

Diagnose oft zu spät

Tritt die Herzrhythmusstörung nur anfallsartig auf, ist sie schwer zu diagnostizieren und wird dann oft nicht als Ursache eines ischämischen Schlaganfalls erkannt: "Tückisch ist, dass viele Patientinnen und Patienten keine Beschwerden haben, weil Vorhofflimmern häufig nur in kurzen Episoden auftritt, die nachfolgend für Tage bis Wochen einem normalen Herzschlag weichen können", sagt Kneihsl. Den Nachweis kann man in diesem Fall häufig nur mit aufwendiger Diagnostik erbringen, etwa mit einem intensiven Langzeit-EKG, das eine kontinuierliche Beobachtung der Herzfrequenz ermöglicht. Deshalb wird das Vorhofflimmern bei der klinischen Untersuchung von Schlaganfallpatienten oft gar nicht entdeckt und diagnostiziert.

"Das Wissen über die tatsächliche Ursache ist aber entscheidend, um durch die entsprechende Therapie einen neuerlichen Schlaganfall zu vermeiden", betont der Grazer Forscher. Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko von Vorhofflimmern könnten etwa gerinnungshemmende, also blutverdünnende Medikamente einnehmen, um einem weiteren Schlaganfall vorzubeugen.

Neues Scoring-System

Ein Team von Grazer Neurologen unter der Leitung von Thomas Gattringer und Kardiologen der Universitätsklinik für Innere Medizin der Med-Uni Graz hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Schlaganfallabklärung zu verbessern und so die Therapie patientenspezifischer zu gestalten. Sie suchten auf der "Stroke Unit" der Grazer Uni-Klinik für Neurologie bei Patientinnen und Patienten mit ischämischem Schlaganfall nach entsprechenden klinischen, laborchemischen und bildgebenden Biomarkern. Daraus wurde schließlich ein Scoringsystem entwickelt, mit dessen Hilfe bei Schlaganfallpatienten das individuelle Risiko für Vorhofflimmern vorhergesagt werden kann.

Zu den Vorhersagevariablen zählen neben dem Alter elektrokardiografische und echokardiografische Merkmale, Bildgebungsmarker des Gehirns und mehr, bis hin zu Eiweißstoffen, die im Herzen gebildet werden und im Blut gefunden werden können. Dies gilt als Grundlage für die Entscheidung, ob ein Patient zur weiteren Schlaganfallprävention vorbeugend ein gerinnungshemmendes Medikament erhalten soll.

Demnächst flächendeckend einsatzbereit

Patienten mit hohen Risiko-Scores weisen eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine nachfolgende Detektion von Vorhofflimmern auf. "Bei dieser Patientengruppe ist eine intensivierte, kontinuierliche Herzrhythmusüberwachung angezeigt", fasst Kneihsl zusammen. Der klinische Risikorechner, der sich in der Praxis bereits als "äußerst effektiv" erwiesen habe, wird seit kurzem bei allen Schlaganfällen unklarer Ursache, die an der Uni-Klinik für Neurologie behandelt werden, angewendet. In den nächsten Wochen soll das mathematische Modell zur Vorhersage des Risikos an allen steirischen "Stroke Units" und internistisch-kardiologischen Abteilungen flächendeckend installiert und eingesetzt werden. (APA, jaa, 10.3.2022)