Der französische Chellist Gautier Capuçon (hier 2021) gab als Solist zwei Haydn-Konzerte im Konzerthaus Wien.

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Wien – Abgesehen vom großen Ludwig van B. haben die traditionsreichen Symphonieorchester das Feld der Klassikpflege weitgehend den Originalklang-Ensembles zur Beackerung überlassen; nicht nur der quirlige Adam Fischer bedauert diese Tatsache. Für aufregende Interpretationen von Haydn-Symphonien muss man in Erinnerungen an Besuche in Eisenstadt kramen, wo Nicolas Altstaedt mit der Haydn Philharmonie Fantastisches vollbrachte. Tempi passati.

Fast erfrischend also, wenn das Kammerorchester Wien – Berlin ein Programm mit Werken von Haydn und Mozart anbietet. Das Ensemble, das sich aus handverlesenen Kräften der Wiener und der Berliner Philharmoniker zusammensetzt, eröffnete sein Konzert am Abend nach dem Weltfrauentag in einer Men-only-Besetzung sowie mit einem Signature-Werk der Klassik: Eine kleine Nachtmusik. Feingliedrig wurde die Mozart-Serenade unter der Bogenführung Rainer Honecks angegangen, der Finalsatz hatte schon fast Currentzis-Speed. Dazwischen hörte man poetische Behutsamkeit und energische Vitalität. Eine gewisses Ziergarten-Feeling mag dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass die dynamische Potenz von 13 Streichern im Großen Saal des Konzerthauses limitiert blieb.

Special Effects

Ambivalent dann der Eindruck, den Gautier Capuçon als Solist zweier Haydn-Cellokonzerte hinterließ. Seine manierierte Interpretation des C-Dur-Konzerts Hob. VIIb/1 war auf Extreme und klangliche Special Effects fokussiert, ihr fehlte die Mitte und ließ einen unberührt zurück. Deutlich stimmiger und runder gelang dem Franzosen nach der Pause das D-Dur-Konzert Hob. VIIb/2. Wie aus einem Guss, technisch virtuos und musikalisch überzeugend hier die Interpretation des Cellisten.

Wundervoll Haydns düstere f-Moll-Symphonie Hob. I/49. Der Beiname La Passione ist hier eher mit Leid als mit Leidenschaft zu übersetzen. Die halben Noten im Hauptthema des zweiten Satzes erinnerten an sechs Nagelschläge – wenn auch aufgrund des homogenisierten Klangbilds des Kammerorchesters aller Schmerz im manierlichen Rahmen präsentiert wurde. (Stefan Ender, 10.3.2022)