Tausende neue Solarpaneele und Windräder sollen in der Wüste Gobi in den nächsten Jahren errichtet werden.

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Im Norden und Nordwesten Chinas, dort, wo die Wüste Gobi beginnt, gibt die Landschaft wenig mehr her als Felsen, Geröll, Kies und Sand. An den Ausläufern der mehr als zwei Millionen Quadratkilometer großen Wüste kämpfen Landwirte mit Aufforstungen gegen ihre weitere Ausbreitung, in den Städten Bewohner gegen die immer wiederkehrenden Sandstürme.

Doch für die chinesische Regierung ist die Wüste Gobi nicht nur Feind, sondern bald auch Chance für die nationale Energiewende. Ganz nebenbei, und ohne große internationale Aufmerksamkeit zu generieren, verkündete He Lifeng, Direktor der Nationalen Kommission für Entwicklung, am Rande des Nationalen Volkskongresses vor einigen Tagen das geplante Vorhaben: Man wolle die größte Wüsten-Solar- und Windkraftanlage in der Geschichte bauen. In der Wüste Gobi sollen in den kommenden Jahren Anlagen mit einer Gesamtleistung von 450 Gigawatt entstehen.

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Schon jetzt kämpfen chinesische Landwirte mit dem Pflanzen von Bäumen gegen die weitere Ausbreitung der Wüste Gobi.
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Schub für Energiewende

Wie groß das Projekt ist, zeigt sich erst im Vergleich: In Österreich stehen derzeit beispielsweise Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 3,1 Gigawatt und Photovoltaikanlagen (PV) mit einer Leistung von etwas mehr als zwei Gigawatt. In der EU sind insgesamt rund 220 Gigawatt an Windenergie und 165 Gigawatt an PV-Anlagen installiert.

Selbst für chinesische Verhältnisse ist das Vorhaben gewaltig. Mit Ende 2021 hatte China rund 328 Gigawatt an Windanlagen und 306 Gigawatt an Solaranlagen. Die neuen Anlagen in der Wüste Gobi sollen laut Planern dabei helfen, das nationale Ziel von 1.200 Gigawatt Leistung aus Sonne und Wind bis 2030 zu erreichen. Ab 2030 will China dann seine CO2-Emissionen nicht mehr weiter steigern, bis 2060 will das Land CO2-neutral werden.

Mit Bau begonnen

China hat bereits mit dem Bau von Solaranlagen mit einer Leistung von rund 100 Gigawatt in der Wüste Gobi begonnen – genug Strom, um beispielsweise ganz Mexiko zu versorgen. Schon in den vergangenen Jahren hat China die Kosten für den Bau von Solaranlagen im eigenen Land immer weiter reduziert, wodurch nun auch größere Anlagen günstiger werden.

Geplant ist, die fertigen Anlagen über eine Ultrahochspannungsleitung, mit der Energie über weite Strecken übertragen werden kann, mit den Ballungszentren im Osten des Landes zu verbinden. Aber auch die weniger entwickelten Gebiete im Westen des Landes sollen laut Regierung von den neuen Anlagen profitieren.

Nichtsdestotrotz wird laut Experten bei der Übertragung über eine so weite Distanz ein Teil des Stroms verloren gehen. Zudem könnte das Aufstellen der Leitungen ziemlich teuer werden. Einige Energieexperten äußerten zuletzt auch Zweifel ob der Effizienz der Solarpaneele, da die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht in der Wüste sehr extrem seien und die hohe Staubkonzentration in der Luft die Stromproduktion verringern könnte.

Grundsätzlich ist das Potenzial für Photovoltaikanlagen in der Wüste Gobi im Norden Chinas groß.

Regionaler "Super-Grid"

Langfristig könnte der Strom aus den Wind- und Solaranlagen der Wüste Gobi auch Teil eines regionalen "Super-Grids" werden, wie ihn China und einige andere nordostasiatische Länder bereits seit längerem immer wieder angedacht haben. Laut chinesischen Wissenschaftern könnte ein solcher Super-Grid das Stromnetz von China, Russland, der Mongolei, Südkorea, Nordkorea und Japan miteinander verbinden und erneuerbaren Strom so billig machen wie Kohlestrom. Besonders von fossilen Energien abhängige Länder wie Japan oder Südkorea sollen dadurch Zugang zu günstigem Windstrom aus der Mongolei oder eben dem Solarstrom aus der Wüste Gobi haben.

Wo China schon jetzt Ultrahochspannungsleitungen besitzt.

Billig wäre das Vorhaben allerdings nicht: Mehr als sechs oder sieben Milliarden Dollar würden die dafür notwendigen Leitungen wohl kosten, rechnete das südkoreanische Energieversorgungsunternehmen Kepco vor einigen Jahren vor. Die Hauptverbindungslinie wäre dabei eine 370 Kilometer lange Unterwasserleitung, die von der chinesischen Hafenstadt Weihai nach Incheon in Südkorea führt. Die Leitungen sollen zudem mit großen Batteriespeicherkraftwerken ausgestattet werden, um Fluktuationen bei der Stromproduktion auszugleichen. Trotzdem stellt sich die Frage, wie realistisch das Vorhaben angesichts der vielen politischen Spannungen zwischen den beteiligten Ländern ist.

Kohle weiter wichtig

Doch so schnell und groß China erneuerbare Energien auch ausbauen will – auf Kohle wolle man vorerst nicht verzichten, sagte He Lifeng laut der Nachrichtenagentur Reuters. Da die Stromproduktion aus Sonne und Wind wetterbedingt schwanke, brauche es weiterhin "hocheffiziente" Kohlekraftwerke, um das Stromnetz zu stabilisieren. Dieser "hocheffiziente" und "grüne" Kohlestrom, wie ihn die Regierung bezeichnet, soll vor allem aus größeren Minen und Kohlekraftwerken kommen, die man bald auch mit Technologien zur CO2-Abscheidung und -Speicherung ausstatten wolle.

Man rechne damit, dass der Konsum von Kohlestrom im Land noch bis 2025 wachsen werde. Laut einem Bericht von Wissenschaftern der State Grid Corporation of China von vergangenem Jahr werde China bis 2025 noch weitere Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 150 Gigawatt errichten. Schon jetzt ist das Land für mehr als die Hälfte der weltweiten Kohlestromproduktion verantwortlich. (Jakob Pallinger, 13.3.2022)