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Die Politik von Milorad Dodik sorgt für Sorgenfalten in der EU.

Foto: REUTERS / ANTONIO BRONIC

STANDARD: Welche politischen und vor allem sicherheitspolitischen Herausforderungen birgt der Krieg Russlands gegen die Ukraine für den Westbalkan, insbesondere für Bosnien-Herzegowina?

Sarrazin: Man spürt in der ganzen Region, dass die schrecklichen Bilder aus der Ukraine viele Menschen persönlich betreffen und Ängste hervorrufen. Auf dem Westbalkan haben viele Menschen Erfahrungen mit Krieg und Flucht gemacht. Gerade deswegen ist es wichtig, dass die Europäische Union in der Region klar und entschlossen Präsenz zeigt. Das heißt auch, dass es im EU-Beitrittsprozess jetzt Fortschritte geben muss. Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien müssen jetzt beginnen. Auch die Visaliberalisierung für den Kosovo muss umgesetzt werden. Beides wäre auch ein wichtiges Signal in die gesamte Region. Der Weg aller Staaten des Westbalkans in die EU war immer das stärkste Instrument für einen dauerhaften Frieden. Europa muss sich wieder auf diese Stärke besinnen.

STANDARD: Wie sollten Deutschland und die EU den Einfluss Russlands auf dem Westbalkan (insbesondere in Serbien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina) eindämmen?

Sarrazin: Die EU muss deutlich machen, dass sie von der Zukunft der Staaten des westlichen Balkans in der EU überzeugt ist. Wenn das nicht gelingt, wird auch die EU als Projekt insgesamt scheitern. Davon bin ich fest überzeugt. Wir müssen ausstrahlen, dass für geostrategische Spielchen anderer Akteure auf dem westlichen Balkan insofern kein Platz ist, weil wir diesen Platz bereits belegen. Wir unterstützen die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten Johann Sattler, gemeinsam unterstützen wir das Land bei der Umsetzung der Reformpolitik. Auch die EU-Mission Eufor Althea ist ein wichtiges Zeichen des Engagements. Darüber hinaus muss die EU klarmachen, dass sie zu ihren Werten steht –und dasselbe auch von den Personen erwarten, die die Politik in der Region bestimmen.

STANDARD: In Bosnien-Herzegowina droht der Chef der SNSD, Milorad Dodik, damit, die staatlichen Strukturen zu zerstören und den Landesteil Republika Srpska für unabhängig zu erklären. Was ist die Antwort der deutschen Bundesregierung auf diese Bedrohung und auf seine konkreten Schritte?

Sarrazin: Spalterische Rhetorik und Angriffe auf die Einheit des Staates setzen die Zukunft des Landes und die Stabilität der Region aufs Spiel. Das darf nicht ohne Konsequenzen bleiben. Deutschland setzt sich daher für Individualmaßnahmen der EU gegen jene ein, die die territoriale Integrität Bosnien-Herzegowinas gefährden. Darüber hinaus muss klar sein, dass die Republika Srpska nur dann von den finanziellen und wirtschaftlichen Vorteilen der EU-Assoziation profitieren kann, wenn sie Teil von Bosnien und Herzegowina ist und sich zu seinen Institutionen bekennt. (Adelheid Wölfl, 11.3.2022)