
Auf dem AFP-Foto aus der Ukraine ist ein Soldat in der Nähe von Kiew zu sehen.
Wien – Sie bestimmen maßgeblich mit, welche Kriegsbilder sich in unseren Köpfen verankern: Fotoagenturen wie AP, AFP oder Reuters, die aus der Ukraine berichten und deren Bilder ihren Weg in die Medien finden. Sie haben eine große Verantwortung, wenn es einerseits darum geht, den Krieg in all seiner Grausamkeit und so authentisch wie möglich zu zeigen, andererseits aber die Rechte der Opfer und ihrer Angehörigen nicht zu verletzen.
Am Sonntag veröffentlichte das US-Qualitätsmedium "New York Times" auf der Titelseite ein Foto, das eine getötete ukrainische Familie zeigte – der STANDARD berichtete. Zu sehen waren etwa die Gesichter der Frau und der Kinder – unverpixelt. Was für die einen eine Grenzüberschreitung ist, die bei den Angehörigen und den Betrachtern Traumata auslösen kann, ist für die anderen eine Notwendigkeit, um das Grauen des Krieges zu dokumentieren. Wie viel vom Krieg ist den Menschen zumutbar?
APA: "Wirklichkeit ohne jede Dramatisierung"
Die österreichische Nachrichtenagentur APA hat für ihre Basisdienst-Fotos keinen speziellen schriftlichen Kodex bezüglich sensibler Inhalte. "Aber unsere jahrelange redaktionelle Praxis ist – wie im Gesamtdienst – eine sehr zurückhaltende: die Abbildung der Wirklichkeit ohne jede Dramatisierung", heißt es auf STANDARD-Anfrage. Wie sieht generell der Umgang mit Leichenfotos aus? Da die APA keine eigenen Fotografen in der Ukraine habe, könne es Tote nur auf Bildern nach Unfällen oder kriminellen Taten geben. "Hier ist die gelebte Regel, keine Leichen erkennbar abzubilden, also vor allem keine Close-ups zu versenden, sondern eine Gesamtsituation samt Kontext zu zeigen."
Der wichtigste Partner der APA für internationales Bildmaterial ist die weltweit agierende Nachrichtenagentur AFP (Agence France-Presse). "Diese Fotos – im Tagesschnitt derzeit deutlich über 3.000 – laufen nicht über unseren Bild-Desk, sondern werden den Kunden direkt zur Verfügung gestellt. Wir können hier somit nicht direkt eingreifen, aber AFP selbst wacht natürlich über sensiblen Content", so die APA.
AFP: Kontext ist entscheidend
Uta Tochtermann, Chefredakteurin des deutschen AFP-Fotodienstes, sagt zum STANDARD: "Es geht darum, möglichst objektiv über das Kriegsgeschehen zu berichten und zu informieren, und dazu gehören leider auch die Opfer und die Toten." Prinzipiell hätte ein ähnliches Bild wie jenes der "New York Times" auch bei der AFP laufen können, so Tochtermann: "Wir waren auch an diesem präzisen Ort zugegen, allerdings etwas später und nur mit einer Textkollegin, die auch Bilder gemacht hat. Da waren die Körper allerdings schon bedeckt. Wir zeigen auch Leichen, aber nur im Kontext, also mit Umfeld, und möglichst so, dass die Gesichter nicht im Vordergrund und sofort erkennbar sind." In diesem Fall galt es zu zeigen, "dass auch die Zivilbevölkerung Ziel des Beschusses durch die Russen ist".
Weiterer Filter
Das Senden von Bildern mit derart schlimmem Inhalt passiere aber nie leichtfertig, sagt Tochtermann: "Bei der AFP gilt immer und bei jedem Bild das Vier-Augen-Prinzip: Ein Fotograf darf und kann nie seine Bilder direkt auf Draht geben, immer schaut ein Bildredakteur darüber, prüft es und sendet dann das Bild, oder eben auch nicht." Im Falle von Krisensituationen oder der Kriegsberichterstattung bei besonders grauenhaften Bildern werde eine zusätzliche Schleife eingeführt: "Es gibt einen Austausch mit der Chefredaktion, bevor entschieden wird, ob ein Bild auf den Draht darf oder nicht, also wird es zum Sechs- oder Mehr-Augen-Prinzip. Es werden keine Leichen nur um der Leichen willen gezeigt, keine Großaufnahmen."
Bei besonders harten Bildern komme der Vermerk "Graphic Content" hinzu: "Und wir haben in unserem Redaktionssystem die Möglichkeit, ein Kästchen 'Death' anzuklicken. Das verhindert, dass die Bilder automatisch und direkt bei bestimmten Kunden oder Webseiten einlaufen."
APA-Bildagentur: Kennzeichnungen
Neben ihrem Foto-Basisdienst betreibt die APA mit dem PictureDesk noch Österreichs größte Bildagentur mit 70 nationalen und internationalen Partneragenturen wie AP, Getty oder Reuters. Wie sieht die Vorgehensweise bei möglicherweise verstörenden Fotos aus? Bei PictureDesk werden Kennzeichnungen wie "Sensitive" oder "Graphic Content" von den Quellagenturen übernommen, heißt es: "Die Bilder sind dann im PictureDesk-System als 'heikel' klassifiziert und werden nur an Kunden ausgespielt, die einen Login für die Plattform haben." Sie dürfen dann auch nur für redaktionelle Zwecke verwendet werden. (Oliver Mark, 13.3.2022)