Es war so, als habe er Kreide gefressen: Bei dem Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo am Donnerstag tat der Chef der Partei SNSD, der prorussische Nationalist Milorad Dodik, so, als sei er ein überzeugter Europäer, und behauptete, dass er gar nicht für eine Sezession des Landesteils Republika Srpska sei: und das, obwohl er die Zerstörung des Staates Bosnien-Herzegowina rhetorisch seit Jahren und nun auch durch konkrete Schritte aktiv betreibt.

Die Chefin des deutschen Außenamts, Baerbock, in Bosnien.
Foto: APA/AFP/ELVIS BARUKCIC

Dodik entlarvte sich aber selbst mit einer Bemerkung, die während des Treffens der Außenministerin im Staatspräsidium fiel, zu dem auch Dodik gehört. Als Šefik Džaferović – ebenfalls Mitglied im Staatspräsidium – Baerbock nämlich erzählte, dass das Parlament am Mittwoch drei Gesetze angenommen habe, die für den EU-Kandidatenstatus von Bosnien-Herzegowina wichtig seien, und hinzufügte, dass Dodik die Gesetze in der zweiten Parlamentskammer nicht blockieren solle, meinte Dodik zu seinen Leuten gewandt: "Die werden nicht durchgehen."

"Putins bester Mann"

Während Dodik also nach außen hin so tut, als sei er an einer EU-Mitgliedschaft interessiert, arbeitet er tatsächlich dagegen an. Er gilt schon seit vielen Jahren als "Putins bester Mann auf dem Balkan" und steht in ständigem Kontakt mit dem russischen Außenminister, mit dem er seine Politik abstimmt. Die russische Botschaft in Sarajevo verwies erst kürzlich auf die "Vereinbarungen" zwischen Dodik und Putin, die im Dezember beim Besuch Dodiks in Moskau getroffen wurden und die nun schrittweise umgesetzt würden.

Politikanalysten und Militärstrategen in der EU und der Nato befürchten, dass Dodik bald die Unabhängigkeit der Republika Srpska (RS) ausrufen könnte und Putin dann die RS – analog zu den Regionen Lugansk und Donezk in der Ukraine – anerkennen wird. Dem Kreml könnte es nämlich gelegen kommen, dass die EU und die Nato mit einem zweiten Krisenherd auf dem Balkan beschäftigt werden.

Friedenseinsatz

Dodik hat im Herbst konkrete Schritte zur Auflösung gemeinsamer staatlicher Institutionen unternommen, die ab Mai schlagend werden. Deswegen fordert Deutschland Sanktionen gegen ihn. Zumindest die Eufor-Truppen wurden nun aufgestockt, und Rumänien schickte am Sonntag eine Kolonne von schweren Panzern nach Bosnien-Herzegowina, um ein Signal auszusenden, dass man aktiv für die Friedenserhaltung eintreten werde.

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch österreichische Eufor-Truppen sind in Sarajevo stationiert.
Foto: AP/Armin Dorgut

Auch Baerbock meinte in Sarajevo, es sei nun genau der richtige Moment, hierherzukommen. "Wir in der EU wollen Ihnen zeigen, dass wir hier für den Frieden stehen", betonte sie. Der Krieg, den die Bosnier vor 30 Jahren erlebt hätten, sei nun in der Ukraine Alltag. "Ich glaube, dass sich viele, wenn sie sich die Bilder von Kiew und Mariupol ansehen, an die Bilder aus den 1990er-Jahren erinnern." Der Krieg gegen den unabhängigen Staat Bosnien-Herzegowina dauerte von 1992 bis 1995.

Baerbock betonte zudem, dass Deutschland hinter dem Amt des Hohen Repräsentanten stehe, welches Russland nicht mehr anerkennt. Sie machte auch klar, dass die Wahlen im Oktober stattfinden würden – zuletzt hatte die kroatisch-nationalistische Partei HDZ mit einem Boykott gedroht. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 10.3.2022)