Ukrainische Familie in einem Wiener Aufnahmezentrum: Ein Jahr Aufenthalt ist fix.

Foto: APA / Tobias Steinmaurer

Wien – Im Umgang mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in Österreich ist heute, Freitag, ein wichtiger Tag. Im Hauptausschuss des Parlaments wird eine Verordnung beschlossen, mit der die EU-Massenzustrom-Richtlinie umgesetzt wird.

Diese wurde Donnerstag vor einer Woche bei einem Rat der EU-Innenministerinnen und -Innenminister in Brüssel unionsweit vereinbart und gewährt den Kriegsflüchtlingen in allen Mitgliedsstaaten der EU temporäres Aufenthaltsrecht, Arbeitsmöglichkeit und soziale Leistungen.

Diese Vorgaben müssen in nationale Regelungen übertragen werden, dabei herrscht ein gewisser Spielraum.

Langes Ringen

In Österreich hatten ÖVP und Grüne seit Richtlinienbeschluss über dessen nationale Umsetzung diskutiert. Der innerkoalitionäre Abstimmungsprozess war dem Vernehmen nach mühsam. Zwar drängte die Zeit, denn die unterstützungsbedürftigen Menschen aus der Ukraine kamen bereits in beachtlicher Zahl in Österreich an – den Helferinnen und Helfern jedoch fehlten Vorgaben, wie sie mit ihnen umgehen sollten.

Doch die Positionen von Türkis und Grün lagen in manchen Punkten weit auseinander.

Die Grünen hatten im Vorfeld Gespräche mit den Flüchtlings-NGOs im Land geführt. Diese rieten zu einer großzügigen Anwendung der EU-Richtlinien-Bestimmungen, nicht zuletzt aus der Praxis heraus. Die ÖVP hingegen peilte Einschränkungen etwa beim Geltungsbereich des temporären Schutzes an. Auch um die Modalitäten des Arbeitsmarktzugangs wurde dem Vernehmen nach gerungen.

Am Donnerstag nun schickte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) den Text der Verordnung aus, mit dem die EU-Vorgaben in Österreich umgesetzt werden sollen. Ihr Wortlaut zeigt: Die Grünen haben sich mit ihrem Einwand, den Geltungsbereich der Richtlinie breit zu halten, nicht durchgesetzt.

Die Verordnung sieht Folgendes vor:

- Vorerst ein Jahr Aufenthaltsrecht Ukrainerinnen und Ukrainer, die vor dem Krieg nach Österreich geflohen sind, können ein Jahr bleiben – mit wahrscheinlicher Verlängerungsmöglichkeit. Familienangehörige, also Ehegatten, minderjährige Kinder und enge Verwandte im gleichen Haushalt, sind einbezogen – auch wenn sie eine andere als die ukrainische Staatsbürgerschaft besitzen. Dasselbe gilt für Menschen, die in der Ukraine Asyl bekommen hatten. Der temporäre Aufenthalt endet vorerst am 3. März 2023.

- Zugang zu Arbeitsmarkt, Bildung und Gesundheitsversorgung Dieser sei "gewährleistet", solange der temporäre Schutz gelte, steht in dem Entwurf. Die genaue Ausgestaltung brauche noch Zeit. Die Vorbereitungen in den zuständigen Ministerien würden laufen.

- Einreise "aus humanitären Gründen" für nichtukrainische Drittstaatsangehörige Wer als Drittstaatsangehöriger aus dem Krieg in der Ukraine fliehen musste, darf nach Österreich einreisen; ohne Visum ist das Bürgerinnen und Bürgern der meisten Drittstaaten ja untersagt. Österreich werde sie bei der Weiterreise unterstützen. Seien sie im Fall eine Rückkehr in den Heimatstaat nicht sicher, könnten sie einen Asylantrag stellen.

- Grundversorgung für bedürftige Personen, die "unmittelbar" Unterstützung brauchen
Ihnen wird "Unterkunft, Verpflegung und Krankenversorgung" gewährt. Zu den Kostensätzen für Quartiergeber würden "laufend Abstimmungen mit den Ländern" stattfinden

"Durch den Krieg vertriebene Ukrainerinnen und Ukrainer bekommen damit rasch und unbürokratisch Schutz und Zuflucht", sagt zu all dem Innenminister Karner. Österreich werde damit seiner "humanitären Tradition gerecht" und leiste Nachbarschaftshilfe in der größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg.

Doch mit der Nichteinbeziehung drittstaatsangehöriger Ukraine-Flüchtlinge wird in Österreich eine restriktive Version des temporären Schutzes umgesetzt. Angekündigt hatte das Karner schon beim EU-Innenministerrat vergangenen Donnerstag, als die Richtlinie EU-weit aktiviert wurde – in Einklang mit Vertretern und Vertreterinnen der Visegrád-Staaten.

Seitdem war Kritik an diesem Kurs laut geworden. Hanno Loewy, Direktor des jüdischen Museums in Hohenems sprach sogar von "rassistischer Selektion von Flüchtlingen aus der Ukraine".

Jobzugangsregeln noch offen?

Noch im Fluss dürften indes die türkis-grünen Verhandlungen über die genauen Modalitäten des Arbeitsmarktzugangs für die Richtlinien-Flüchtlinge sein. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) in Österreich setzt sich für unbegrenzten Jobzugang ein, so wie er auch anerkannten Flüchtlingen zukommt. In der ÖVP hingegen zieht man dem Vernehmen nach die Beschränkung auf einzelne Berufsgruppen vor, wo Personalmangel besteht. (Irene Brickner, 10.3.2022)