Der McDonald's an der Metrostation Baumanskaja in Moskau ist rappelvoll. Hier in der Nähe gibt es gleich mehrere Universitäten, darunter mit der Bauman-Universität eine größten technischen Hochschulen Russlands. Viele Studenten sitzen in der Mittagspause bei McDonald's, es ist schließlich eine der letzten Möglichkeiten.

Darja an der Kasse hat alle Hände voll zu tun, um die Schlange abzufertigen. Bis zum 14. März wird sie hier noch arbeiten. Und dann? "Keine Ahnung", sagt Darja kurz angebunden und winkt den nächsten Kunden heran.

Es ist ein brisantes Thema: McDonald's hat den vorläufigen Stopp seines Russland-Geschäfts verkündet. 850 Restaurants betreibt der Konzern landesweit und beschäftigt dabei 60.000 Mitarbeiter. Darüber hinaus kooperiert McDonald's eigenen Angaben nach mit 160 Zulieferern in Russland, an denen weitere 100.000 Beschäftigte hängen. McDonald's ist nur eines von inzwischen rund 400 Unternehmen, die nach der russischen Invasion in der Ukraine ihren Rückzug aus Russland verkündet haben.

Breite Palette

Die Palette reicht vom Öl- und Gassektor über die Baubranche, Finanzen, Bekleidungs- und Nahrungsmittelindustrie bis hin zum Automobilbau, Luftfahrtsektor, Telekom, Elektronik, Software und Internet. Gleich zu Beginn der Auswanderungswelle hatte Ex-Präsident Dmitri Medwedew den internationalen Konzernen mit Verstaatlichung ihrer Betriebe in Russland gedroht. Die Ankündigungen nehmen Gestalt an: Die Regierung berät über eine Gesetzesinitiative der Kremlpartei "Einiges Russland" zur Einführung eines Insolvenzverwalters in den entsprechenden Unternehmen.

McDonald's hat den vorläufigen Stopp seines Russland-Geschäfts verkündet.
Foto: EPA/DIMA KOROTAYEV

Diese Insolvenzverwaltung kann in zwei Fällen bestimmt werden: wenn die Konzernführung "faktisch aufgehört hat", das Unternehmen zu leiten, weil sie beispielsweise aus Russland ausgereist ist. Oder wenn die Konzernführung Handlungen vollführt, die zu "einer unbegründeten Einstellung der Tätigkeit, zur Liquidierung oder zum Bankrott führen".

Dazu zählt bereits die Ankündigung einer Einstellung der Unternehmenstätigkeit in Russland "ohne offensichtliche wirtschaftliche Gründe". Im ersten Fall wird der Insolvenzverwalter für drei Monate eingesetzt, im zweiten für sechs. Dann ist die Maßnahme auch von den Eignern rückgängig zu machen, sofern sie vor Gericht erklären, dass sie ihre Arbeit wieder aufnehmen.

Drohende Verstaatlichung

Als Insolvenzverwalter kommen Vertreter der staatlichen Infrastrukturbank VEB oder der Agentur für Einlagensicherung infrage, wobei sich die Agentur nur um Finanzinstitute kümmert, alle anderen Unternehmen fallen in den Aufgabenbereich der VEB. Die Insolvenzverwalter sichern die Weiterbeschäftigung der Angestellten und machen Inventur. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Schaffung einer neuen Organisation auf Basis der alten im Laufe eines Bankrottverfahrens. Die Aktien des so entstandenen neuen Unternehmens sollen dann versteigert werden. Findet sich kein Käufer, so wird der Betrieb verstaatlicht.

Und noch eine McDonald's-Filiale. 60.000 Mitarbeiter arbeiten in Russland für den US-Fastfood-Riesen.
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Auf einer ersten Liste der Betriebe, die verstaatlicht werden könnten, sind rund 60 Unternehmen aufgetaucht, darunter Volkswagen, Porsche und Ikea. Ausländische Investitionen scheinen damit Geschichte. Während das Wirtschaftsministerium die drohenden Enteignungen als Stimulus bezeichnet, der ausländische Konzerne dazu bewegen soll, ihren Rückzug aus Russland noch einmal zu überdenken, haben andere Politiker aus der russischen Führung bereits Gefallen an der Enteignung an sich gefunden. Duma-Chef Wjatscheslaw Wolodin gab sich beinahe euphorisch.

Onkel Wanja ante portas?

Wenn McDonald's schließen wolle, kein Problem, schließlich seien 100 Prozent der Ingredienzien aus russischer Produktion. "Schon morgen sollte da dann aber kein McDonald's, sondern ein 'Onkel Wanja' sein", forderte Wolodin. Dann könnten gleich die Preise gesenkt und Beschäftigung gesichert werden. "Das muss die Herangehensweise sein", so Wolodin. Um die Stabilität des russischen Marktes zu gewährleisten, hat Russland ein Exportverbot für mehr als 200 Produkte verhängt, die zuvor aus dem Ausland nach Russland importiert worden waren. Die Verbotsliste gilt bis Jahresende und umfasst Telekommunikations- und Medizinanlagen, Fahrzeuge, Agrarmaschinen, Elektrogeräte. Lokomotiven, Turbinen oder Bildschirme stehen auf der Verbotsliste. (André Ballin, 10.3.2021)