Am Donnerstag erreichten die Neuinfektionen einen neuerlichen Höchstwert: 49.432 neue Fälle.

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Eigentlich war man sich in der Corona-Kommission Donnerstagnachmittag schon weitgehend einig gewesen: Die Zahl der Neuinfektionen ist so hoch wie nie zuvor, natürlich habe das Auswirkungen auf die Spitäler, die Normalstationen seien ohnehin schon belastet – man müsse etwas tun. Kurz vor 16 Uhr spricht sich Katharina Reich dafür aus, dass die Kommission die Wiedereinführung von Maßnahmen empfehlen soll. So erzählt es jemand, der dabei war. Reich ist die oberste Gesundheitsbeamtin im grünen Gesundheitsministerium und Chefin des anderen staatlichen Corona-Gremiums: von Gecko.

Die Vertreterin des Kanzleramts in der Kommission soll daraufhin sofort erklärt haben, sich bei einer entsprechenden Empfehlung jedenfalls enthalten zu wollen. Die anderen Mitglieder sprechen sich aber dafür aus– neben Expertinnen und Experten sitzt auch für jedes Bundesland eine Vertretung im Gremium. Es wird ein Text formuliert. Er lautet: "Aufgrund des steigenden Trends und der steigenden Belastung im Bereich der Normalstationen empfiehlt die Corona-Kommission die bundesweite Wiedereinführung von geeigneten Präventionsmaßnahmen." Alle bis auf die Vertreterin des Kanzleramts segnen ihn ab. Es gibt eine Pause.

"Wichtiger Anruf"

Das Ergebnis soll eigentlich noch nicht an die Öffentlichkeit gelangen, wird aber geleakt. Um 16.33 Uhr verschickt die österreichische Nachrichtenagentur APA eine Eiltmeldung, dass sich die Corona-Kommission für die "Wiedereinführung von Maßnahmen" ausspricht. Die Kommissionsmitglieder befinden sich zu dieser Zeit noch auf Pause. Als es wieder weitergeht, ist Reich noch nicht da. Sie soll sich aufgrund eines "wichtigen Anrufs" entschuldigt haben.

In der Kommission werden derweil mehrere andere Tagesordnungspunkte besprochen, um 17.40 Uhr kehrt Katharina Reich zurück – mit dem "dringenden Appell", die Empfehlung wieder zu ändern, wie erzählt wird. Reich habe sich nun plötzlich gegen das Wort "Wiedereinführung" ausgesprochen. Ein Sitzungsteilnehmer fragt nach, warum sich die Einschätzung nun innerhalb einer Stunde geändert haben soll. Es kommt zu einem kleinen Wortgefecht.

Abgeschwächte Formulierung

Dann wird die Empfehlung neu formuliert. Sie soll nun doch bloß lauten: "Aufgrund des steigenden Trends und der steigenden Belastung der Normalstationen empfiehlt die Corona-Kommission die Umsetzung geeigneter Präventionsmaßnahmen." Das Wort "Wiedereinführung" wurde gestrichen. Die Vertreterinnen und Vertreter von Niederösterreich, Vorarlberg, Kärnten, dem Burgenland, Salzburg und jene des Bundeskanzleramts enthalten sich bei der Abstimmung darüber.

Donnerstagabend stellt das Gesundheitsministerium dann noch klar, dass es derzeit keinen Handlungsbedarf gebe. In einer Stellungnahme aus dem Ressort des neuen grünen Gesundheitsministers Johannes Rauch heißt es: "Wir müssen sehr darauf achten, Akzeptanz und Verständnis in der Bevölkerung nicht zu verlieren. Eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen wenige Tage nach der weitgehenden Öffnung wäre der Bevölkerung nicht vermittelbar." Katharina Reich selbst war für den STANDARD vorerst nicht für eine Stellungnahme erreichbar. (Katharina Mittelstaedt, 10.3.2022)