Bundespräsident Alexander Van der Bellen war am Donnerstagabend in der "ZiB2" zu Gast.

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Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich am Donnerstagabend in der "ZiB 2" zum Krieg in der Ukraine und zu den russisch-österreichischen Beziehungen in der Vergangenheit geäußert. Österreich habe mit russischen, ukrainischen und belarussischen Firmen über Jahrzehnte hinweg keine schlechten Erfahrungen gemacht, sagte er. "Insofern ist es ungerecht, den Firmen vorzuwerfen, diese Geschäftschancen wahrgenommen zu haben." Mit einem Einmarsch Russlands in die Ukraine in diesem Ausmaß habe niemand in Europa gerechnet, sagte van der Bellen, der derzeit auf Staatsbesuch in Deutschland ist.

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ORF-Moderator Martin Thür hinterfragte daraufhin auch Van der Bellens frühere Äußerungen. So sah dieser 2018 bei Wladimir Putins Besuch in Wien "keine grundsätzliche Vertrauenskrise" zwischen der EU und Russland. 2019 habe Van der Bellen, angesprochen auf den Konflikt in der Ostukraine, gesagt: "Beide Seiten bleiben sich wenig schuldig." Auf die Frage, ob er damit zu nachsichtig mit Putin gewesen sei, antwortete Van der Bellen: "Mag schon sein, aber was bringt das jetzt?"

Die Geschäftsbeziehungen mit Russland hätten über Jahrzehnte gut funktioniert, "warum soll man das ohne Anlassfall beenden?", fragte Van der Bellen. Auf Thürs Einwand, dass Putin 2014 bereits die Krim annektiert habe, antwortete der Präsident: "Selbst wenn Fehler passiert sind in der Vergangenheit: Es geht nun um das Hier und Jetzt."

Van der Bellen skeptisch zu Gasboykott

Die Maßnahmen, die die EU mit den USA und Partnern gegen Russland getroffen hat, "wurden bemerkenswert schnell getroffen", sagte Van der Bellen. "Die EU sieht nicht tatenlos zu", ist sich der Bundespräsident sicher. Die Wirtschaftssanktionen würden in Russland wirken, das sehe man am Verfall des Rubels.

Skeptisch zeigte sich Van der Bellen gegenüber einem Boykott von russischem Gas. Es wäre "ganz schlecht, eine Maßnahme zu treffen, von der wir wissen, wir halten sie nicht durch", meinte er und verwies darauf, dass nicht nur Privathaushalte, sondern auch Industrie und Gewerbe betroffen wären.

Aus Sicht des Bundespräsidenten geht es darum, eine Rezession und einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit abzuwenden. Immerhin meint Van der Bellen, dass es Ziel sein müsse, die Lieferanten insbesondere im Gasbereich, aber auch bei Öl und Kohle zu diversifizieren: "Wie sich jetzt herausstellt, war es nicht klug, sich darauf zu verlassen, dass russisches Gas immer geliefert wird."

Ob er erneut zur Bundespräsidentenwahl antreten werde, wollte Van der Bellen zum Abschluss nicht preisgeben. "Nice try, lieber Herr Thür, aber [...] jetzt haben wir wirklich andere Dinge im Kopf." (bbl, ag, APA, 10.3.2022)