
Brieger sieht die Ausstattung des Bundesheers in die Jahre gekommen – und fordert Investitionen in allen Bereichen.
Das Bundesheer braucht in den nächsten zehn Jahren zwischen sechs und zehn Milliarden Euro, um alle für die Landesverteidigung benötigten Waffengattungen wieder instand zu setzen. Es gebe beim Bundesheer "keinen Bereich, wo es keinen Modernisierungsbedarf gibt", sagte Generalstabschef Robert Brieger der APA. Benötigt werden unter anderem Investitionen im Bereich der Infanterie, Flieger- und Drohnenabwehr und in aktive Luftraumüberwachung.
Der höchste Offizier hofft auf eine Anschubfinanzierung und eine Anhebung des Heeresbudgets auf ein Prozent des BIP und "über die Zeitleiste sogar darüber". Derzeit liegt das Budget bei 2,7 Milliarden Euro. Ein Prozent wären 2,3 bis 4,5 Milliarden Euro – je nach wirtschaftliche Entwicklung.
Neues Heer-Equipment
Brieger nennt zahlreiche Bereiche, die Modernisierungsbedarf haben: "Wir brauchen Schutz und Beweglichkeit der Infanterie, eine Erneuerung der Hubschrauberflotte, die eingeleitet ist, aber noch ergänzt werden könnte." Das Heer benötige dringend Drohnen- und Drohnenabwehr, Fliegerabwehr mittlerer Reichweite, eine Revitalisierung oder eine Neuanschaffung der in die Jahre gekommenen Panzer sowie Investitionen in die passive und aktive Luftraumüberwachung sowie in moderne Munition. Denkbar wären auch Eurofighter-Zweisitzer, "um die Staffel komplett zu machen". Und wenn genug Geld da wäre, mache eine Zweiflotten-Lösung Sinn. So könne man für das Training der Piloten von den teuren Eurofighter-Flugstunden wegkommen und würde "ein zweites Standbein für die Luftraumüberwachung schaffen."
"Wir wissen ziemlich genau, was wir brauchen. Aber die Einführung komplexer Waffensysteme nimmt Zeit in Anspruch." Daher sei es wichtig, die Finanzierung des Militärs langfristig abzusichern. Brieger schlägt ein Streitkräfteentwicklungsgesetz vor, in dem die Budgetierung festgeschrieben werde. "Dann wäre die Budgetierung auch bei einem Regierungswechsel gesichert." Deutschland will seinen 100 Milliarden Euro schweren Sonderfonds zur Modernisierung der Bundeswehr ins Grundgesetz schreiben.
Brieger versicherte gleichzeitig, dass das Bundesheer ungeachtet der Höhe der zusätzlichen Mittel diese nach Prioritäten immer sinnvoll verwenden werde. "Das ist ganz wichtig: Wir kaufen nichts, was wir nicht dringend brauchen."
Andrang auf Waffen
Er gibt gleichzeitig zu Bedenken, dass angesichts des starken Aufrüstens in Europa nicht alle Waffen und Geräte sofort verfügbar sein werden. "Daher braucht das Militär Stabilität auf dem Ressourcensektor. Eine einmalige Anschubfinanzierung alleine nutzt uns wenig, wir brauchen ein erhöhtes Regelbudget."
Auf die vom Verteidigungsminister der Übergangsregierung Bierlein, Generalmajor Thomas Starlinger, 2020 errechneten 16,2 Milliarden Euro, die notwendig wären, um das Bundesheer auf einen modernen Stand zu bringen, angesprochen, erklärt Brieger folgendes: Die 16 Mrd. beziehen sich auf eine Vollausstattung des gesamtmobilgemachten Bundesheeres von 55.000 Soldaten. "Das ist eine Idealvariante, die militärisch korrekt abgeleitet wurde, aber realpolitisch nicht umsetzbar erscheint." Gelinge die Anhebung auf ein Prozent des BIP, würde man innerhalb der nächsten zehn Jahre den Investitionsstau mit etwa der Hälfte der genannten 16 Milliarden deutlich reduzieren können.
Brieger erinnerte an sein Credo in der Corona-Krise, bei der das Bundesheer viele nicht militärische Assistenzeinsätzen bewältigte: "Wer schützen kann, kann auch helfen, umgekehrt eher nicht."
Verpflichtende Milizübungen
Die Einführung der verpflichtenden Milizübungen würde Brieger "sehr begrüßen", die Kritik an der Strukturreform im Ministerium kann er dagegen nicht nachvollziehen. Das Militär arbeite seit acht Monaten in dieser Struktur und sei noch immer eine militärische Organisation geblieben und nicht zu einer Polizei mutiert, wie Kritiker der Reform meinen.
Der ehemalige Verteidigungsminister und steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek begrüßte den ÖVP-Schwenk in der Frage der Wiedereinführung verpflichtender Milizübungen und damit eine Erhöhung der Dauer der Wehrpflicht auf acht Monate. "Die Wiedereinführung der verpflichtenden Truppenübungen war längst überfällig und scheiterte bislang an der Blockadehaltung der ÖVP. Es ist gut und richtig, die Miliz zu stärken. Dafür braucht es Truppenübungen. Nur was regelmäßig geübt wird, kann auch im Ernstfall rasch und effizient umgesetzt werden", so Kunasek. Das Milizsystem ermögliche die Aufbringung einer hohen Anzahl an Soldaten, die im Krisenfall rasch Schutz und Hilfe leisten. Auch die Offiziersgesellschaft begrüßte die angedachte Wiedereinführung der Milizübungen. (APA, red, 11.3.2022)