Spaniens Konservative haben wohl endgültig alle Berührungsängste verloren. Nach vorgezogenen Neuwahlen im Februar in Castilla y León, der flächenmäßig größten Region Spaniens, geht jetzt der Partido Popular (PP) unter dem alten und neuen Regionalpräsidenten Alfonso Fernández Mañueco mit der neofrankistischen Vox zusammen. Erstmals seit dem Ende der Diktatur 1975 übernimmt damit wieder eine rechtsextreme Formation Regierungsverantwortung.

Juan Garcia Gallardo von der rechten Partei Vox kann sich freuen – erfährt aber auch viel Gegenwind: In der spanischen Region Castilla y León wird Vox Koalitionspartner des Partido Popular.
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Nicht nur in weiten Teilen Spaniens, auch in Europa stößt dies auf Ablehnung. Als "eine sehr schlechte Nachricht für die Demokratie" bewertet Spaniens Ministerpräsident, der Sozialist Pedro Sánchez, die Koalition PP/Vox. Und Donald Tusk, der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, der der spanische PP angehört, spricht gar von "Kapitulation".

Mañueco, der bisher mit den rechtsliberalen Ciudadanos regierte, macht weitgehende Zugeständnisse. Der regionale Parteichef von Vox, Juan García-Gallardo, wird stellvertretender Ministerpräsident der Regionalregierung. Außerdem gehen drei Ministerien an die Rechts-außen-Partei. Welche Fachbereiche dies sein werden, ist noch nicht bekannt. Jedenfalls übernimmt Vox das Amt des Präsidenten des Regionalparlaments von Castilla und León.

Vox gegen "Gender-Diktatur"

Inhaltlich lässt die Koalition nichts Gutes erwarten: Statt von Gewalt gegen Frauen oder sexualisierter Gewalt redet Mañueco plötzlich ganz im Stile von Vox "von jedweder Form von Gewalt". Für Vox gibt es keine geschlechtsspezifischen Übergriffe auf Frauen, und deshalb darf es auch keine zielgerichtete Politik dagegen geben. Das gilt Vox als "Gender-Diktatur". Mañueco verpflichtet sich, statt der bisherigen Regelungen nunmehr ein "Gesetz über Gewalt innerhalb der Familie" zu erlassen.

Wenn die neue Regierungskoalition von "Freiheit der Eltern bei der Wahl der Bildung" redet, ist auch das ein Zugeständnis an die Rechtsextremen. Vox fordert seit Jahren, dass Eltern ihre Kinder aus dem Unterricht nehmen können, wenn es dort etwa um Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten, um Gewalt gegen Frauen oder um Vergangenheitsbewältigung geht.

Gerade die Aufarbeitung der Diktatur ist Vox ein Dorn im Auge. Das regionale "Gesetz zum historischen Erinnern", das etwa die Suche nach den in Massengräbern überall im Land verscharrten Opfern der Franco-Truppen unterstützt, soll jetzt abgeschafft werden.

In der Koalitionsvereinbarung ist außerdem von der "Förderung einer geregelten Immigration" die Rede. Da Zuwanderung Sache der Zentralregierung ist, geht es wohl eher um die Verfolgung derer, die irregulär in Castilla und León leben.

Nur ein "Unfall"?

"Ich hoffe, dass dies nur ein Zwischenfall oder ein Unfall und keine Tendenz in der spanischen Politik ist", erklärte Tusk, als er am Donnerstag im Rahmen einer Sitzung der europäischen Konservativen zum Ukraine-Krieg in Paris von der Koalition mit Vox erfuhr. Auch in Spanien besteht diese Befürchtung: Denn Ciudadanos, mit denen der PP in Regionen wie Murcia und Andalusien regiert, befindet sich im freien Fall. Bei den Regional- und Kommunalwahlen im kommenden Jahr wird Vox wohl einen Großteil der Stimmen der Rechtsliberalen erben und damit eine Stellung einnehmen, wo der PP ohne sie nicht regieren kann.

Nach einer schweren innerparteilichen Krise wird der PP im April Alberto Núñez Feijóo zum neuen Vorsitzenden machen. Der bisherige Ministerpräsident aus dem nordwestspanischen Galicien galt eigentlich als gemäßigt. Zumindest bis Donnertag war es so, als er der Koalition in Castilla y León seinen Segen erteilte. Die Koalitionsvereinbarung gebe der Region "Stabilität", erklärte er. (Reiner Wandler aus Madrid, 11.3.2022)