Man kann nicht wirklich sagen, dass sich die Immobilienbranche in Sachen Digitalisierung bisher mit Ruhm bekleckert hätte. Jahrelang hinkte man hinterher, und es brauchte schon eine Pandemie, um viele Unternehmen von der Sinnhaftigkeit neuer Technologien am Bau und in der Verwaltung zu überzeugen.

Für Unternehmen, die diese Überzeugungsarbeit leisten, die sogenannten Proptechs, gibt es heuer auf der Mipim die sogenannte Propel Station. Ein Ort für Start-ups, um ihre innovativen Ideen und Technologien vorzustellen. Nach erfolgreichen Ausflügen auf den Messen in Paris, Hongkong und New York sind einige vielversprechende Unternehmen auch in Cannes zu Gast. Das Thema der Stunde ist Datenerhebung im Zusammenspiel mit Dekarbonisierung.

Heuer ist die Propel Station der Mipim das erste Mal in Cannes zu Gast – vergangenes Jahr war New York der Austragungsort.
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Ein Beispiel ist das Start-up Aedifion aus Deutschland, genauer gesagt aus Köln. "Aedifion ist eine Cloud-Plattform, die Gebäude effizienter, transparenter und nach haltiger macht", erklärt Magdalena Sturm von Aedifion. Das Ganze passiere in drei Schritten: 1.) Aedifion holt sämtliche relevante Daten aus dem Bestandsgebäude heraus und macht sie sichtbar. Beispielsweise, wie viele Heizkosten pro Raum entstehen oder wie lange welche Lüftung läuft. 2.) Diese Daten werden in einem digitalen Zwilling, wie man ihn bereits aus dem Building Information Modelling (das für die Nutzung von Aedifion keine Voraussetzung ist) kennt, strukturiert und analysiert. Daraus ergeben sich Handlungsempfehlungen, sprich, was ist zu tun, um das Gebäude effizienter und nachhaltiger zu führen. 3.) Es setzen KI-bestimmte Regelungen ein. Das bedeutet, das Programm führt automatisch, wo es denn geht, diese Handlungsempfehlungen auch aus.

CO2 und Kosten sparen

Diese drei Schritte kommen vor allem dem Betreiber oder dem Facility Management zugute, die auf einen Blick sehen, wie welche Anlagen laufen, wo es Optimierungsbedarf oder gar Fehlfunktionen gibt.

Sturm gibt ein Beispiel: Die Lüftungsanlage in einem Einkaufszentrum läuft rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Geöffnet ist das Gebäude allerdings nur von sechs bis 20 Uhr. Sprich: Die Lüftungsanlage läuft nachts ohne Grund. Nicht nur wird das abgestellt, die verschiedenen KI-Programme helfen auch dabei, die Lüftungsanlage früh genug wieder einzuschalten, um den Regelbetrieb beizubehalten. So spart das Gebäude Energie, ohne dabei seinen Nutzen zu vernachlässigen.

Das Werksviertel in München hat eine Fläche von rund 390.000 Quadratmetern und kommt mit über 12.000 Datenpunkten aus. Auf der Internetseite gibt es auch einen Einsparungsrechner. So lassen sich für ein Gebäude aus dem Jahr 1970 mit einer Fläche von 20.000 Quadratmetern jährlich rund 170 Tonnen_CO2 einsparen sowie Betriebskosten im Wert von über 50.000 Euro.

Ein ähnliches Konzept bietet Buildingminds. Auch hier wirbt man mit den Vorteilen von Datentransparenz und den Möglichkeiten, die damit einhergehen.

Mit dem Schweizer Aufzugsunternehmen Schindler ist man vor kurzem eine Kooperation eingegangen, um sämtliche Firmensitze mit Sensoren auszustatten und somit zu digitalisieren und bisher fehlende Informationen sichtbar zu machen. Logisch, schließlich entstammt das Start-up Buildingminds doch einer Kooperation zwischen Schindler und Microsoft.

Recherche auf einen Blick

Um die Wichtigkeit von Daten geht es auch bei Geomap, nur werden hier nicht die versteckten Daten eines Gebäudes sichtbar gemacht, sondern gleich die eines ganzen Marktes. Geomap soll die Recherche vor Kauf, Verkauf oder der Ver- oder Anmietung eines Objekts obsolet machen. Die interaktiven Karten sollen die für Ver- und Ankäufer relevanten Daten zeigen, von der Durchschnittsmiete über den Lärmpegel bis hin zu geplanten oder in Bau befindlichen Neubauten.

Das Basismodell mit tagesaktuellen Daten ist dabei kostenlos, die Premiummodelle gehen bis zu 700 Euro pro Monat hoch und bieten Sonderinformationen wie historische Daten oder Zwangsversteigerungen an.

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Neben Daten gibt es auch etwas für Fahrradverrückte.
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Auch für Privatpersonen ist das System interessant, es listet sämtliche Wohnungsinserate von verschiedenen Plattformen auf einer Karte auf. Die bereitgestellten Filter helfen dabei, nach Preis, Fläche oder Zimmeranzahl zu sortieren.

Einen etwas anderen Ansatz verfolgt das Start-up Activescore. Das ist eine Art Ratingsystem für Gebäude, wie geeignet sie für aktive Bewegung, sprich: Fahrräder, Fußgänger oder Ähnliches, sind. Dazu gehört beispielsweise die Anfahrt, aber auch die Stellplatzsituation vor Ort. Fällt das Rating niedriger aus als gewünscht, bietet Cyclingscore auch an, Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten und umzusetzen.

Rund um die Propel Station auf der Mipim in Cannes sind Events geplant, die allesamt dem Vorwurf aus dem ersten Absatz entgegentreten wollen. Die Immobilienbranche kann sehr wohl innovativ und digital sein. (Thorben Pollerhof, 16.03.2022)