Die zentrale Installation von Elisabeth von Samsonow in der Landesgalerie Niederösterreich preist die Erde mit all ihren Gaben.

Foto: LeopoldPluschkowitz

Die Venus von Willendorf als Barbiepuppe, matriarchale Königin oder zensierte Pornofigur? Ein frischer Blick auf den knapp 30.000 Jahre alten Fund lässt Interpretationen zu, über die man auch lachen darf. Die erst 1908 in Niederösterreich gefundene und sich heute im Naturhistorischen Museum in Wien befindliche Mini-Venus (elf Zentimeter!) wird in den Zeichnungen von Ida-Marie Corell in der Landesgalerie Niederösterreich aus feministischer Sicht betrachtet.

Die prähistorische Frauendarstellung gilt als ein Ausgangspunkt für das Forschungsprojekt "The Dissident Goddesses’ Network", das aus einer Kooperation der Akademie der bildenden Künste Wien und dem Forum Morgen hervorging. Das Team von Künstlerinnen und Forscherinnen wurde von der Künstlerin und Philosophin Elisabeth von Samsonow und Felicitas Thun-Hohenstein geleitet, die als Kuratorin der Ausstellung fungiert.

Diese ist in überschaubarer Größe auf der dritten Ebene der Landesgalerie untergebracht, eint künstlerische Auseinandersetzungen mit ökofeministischen Forschungsansätzen. Inwiefern dieser Artistic Research konkrete Forschungsergebnisse liefern kann, ist allerdings schwierig zu beantworten. Vielmehr scheint es um vage Erkenntnisse zu gehen, die in einer "Forschungslounge" nachgeschlagen werden können: Es geht um die Bedeutung prähistorischer Funde wie der Venus von Willendorf für die Moderne, den provokanten Göttinnenbegriff sowie die Rückbesinnung auf die Erde, die als Lebewesen Gaia ja auch weiblich ist. Wer darf sie besitzen oder besetzen?

Visuelles Bindemittel: Flechten, Schwammerl und Würmer bei Alma Heikkilä.
Foto: eSeL.at

Esoterische Opfergaben

2021 haben sich von Samsonow und einige ihrer Kolleginnen ein vier Hektar großes Grundstück im Pulkautal gekauft. Dieses "belebte" das weibliche Kollektiv und taufte es bewusst "Land der Göttinnen". Eine mongolische Jurte ist zentraler Hörsaal, wo Workshops abgehalten und Göttinnenfeste gefeiert werden. Und auch die lokale Bevölkerung – von der Dorfjugend bis zur Jägerschaft – rund um das Weinviertler Göttinnenland wird miteinbezogen. Dieses soll ohne ökonomischen oder öffentlichen Nutzen funktionieren.

Legt man die Erwartung an einen höheren Zweck ab und erkennt das Projekt vielmehr als kritisches Naturspiel, fällt eine Annäherung an die wenig nachvollziehbare Konzeption der Ausstellung leichter. Zwar ist der Grundgedanke des Projekts mit der kollektiven Landbesetzung spannend, die Übersetzung in einen künstlerischen Rahmen funktioniert jedoch nur bedingt. Schnell driftet die Ästhetik in eine esoterische Nische ab.

Von Samsonow bietet Fundstücke wie Fossilien, Steine, Kräuter und Erdproben, Fotos und Filmmaterial ihrer Aktionen auf drei Schreinen als Opfergaben dar. Videoarbeiten der Forscherin Angela Melitopoulos bilden mit der Untersuchung von Ausgrabungsstätten das andere Ende der Schau. Auf halbem Weg dienen von Flechten und Schwammerln überwucherte Werke von Alma Heikkilä als visuelles Bindemittel. Was hat das noch einmal mit der Venus von Willendorf zu tun? Wirkliche Synergien ergeben sich hier leider keine. (Katharina Rustler, 12.3.2022)