Auch Tizians Gemälde "Junge Frau mit Federhut" (1536) muss zurück in die Eremitage. Zuletzt war es in Mailand zu sehen.

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Was geschieht mit Kunstwerken aus russischen Museen, die derzeit bei Ausstellungen im Ausland gastieren? Diese Frage bekommt unerwartet Priorität. Denn auf Anordnung des russischen Kulturministeriums wird der internationale Leihverkehr eingestellt, wie einem Bericht des Fachmagazins "The Art Newspaper" zu entnehmen ist. Bekannt wurde das über die Stornierung der Leihgabe eines Raphael-Gemäldes für die National Gallery in London.

Bereits am Donnerstag startete der Abzug von mehr als 50 Leihgaben aus italienischen Museen. Betroffen davon ist etwa der Palazzo Reale in Mailand mit seiner bis 5. Juni anberaumten Tizian-Schau. 25 der Exponate gehören der Eremitage in St. Petersburg, deren Direktor Michail Piotrowski den italienischen Kollegen über die Rückholung informierte. Er berief sich dabei auf das russische Kulturministerium.

Ob von dieser Order auch Museen in anderen Ländern betroffen sind und welche Motivation diesem Abzug tatsächlich zugrunde liegt? Auf STANDARD-Anfrage informiert die Eremitage, dass verliehene Exponate gemäß den bestehenden Verträgen "nach und nach zurückgegeben" werden sollen.

Rückholung gibt Rätsel auf

Die vorzeitige Rückholung gibt allerdings Rätsel auf. Eine Retourkutsche für aufgekündigte Kooperationen seitens des Westens oder eine Präventivmaßnahme, um Beschlagnahmen vorzubeugen? Aus Solidarität mit der Ukraine hatte die privat finanzierte Eremitage-Niederlassung in Amsterdam vergangene Woche die Beziehungen gekappt.

Dieser Tage sagte sich auch eine britische Stiftung los, die den russischen Museumstanker seit Jahren finanziell unterstützte. Von den zuletzt verhängten Sanktionen sind Kulturgüter bisher nicht umfasst. Solche aus staatlichem Besitz sind zudem theoretisch vor Beschlagnahmen geschützt. Die wohl wertvollste "Beute" fände sich derzeit in London: Dort steht im Victoria & Albert Museum eine dem Juwelier Fabergé gewidmete Ausstellung (bis 8. Mai) auf dem Programm, für die russische Museen Preziosen liehen. Darunter auch legendäre Ostereier der Zarenfamilie, deren monetärer Wert bei mehreren Millionen Euro pro Stück liegt.

Risiken beim Überlandtransport

Das Victoria & Albert Museum wurde nicht zur Rücksendung von Exponaten aufgefordert, wie man auf Anfrage mitteilte. Vorerst auch nicht davon betroffen sein dürfte die Fondation Louis Vuitton in Paris. Dort hat die Sammlung Morosow bis 3. April ein Gastspiel. Dabei bleibt es laut aktuellem Stand der Dinge auch. Wie die Werke von Cézanne, van Gogh oder Picasso aus den Beständen der staatlichen Tretjakow-Galerie, des Puschkin-Museums und der Eremitage dann nach Russland zurückgebracht werden, ist eine andere Frage. Die direkten Flugverbindungen sind bekanntlich unterbrochen, und der Überlandtransport birgt höhere Risiken.

Dass Kulturgüter bei politischen Konflikten zwischen die Fronten gelangen, ist kein Novum. Als Russland 2014 die Krim annektierte, befanden sich gerade Leihgaben aus lokalen Museen bei einer Ausstellung in den Niederlanden. Die Amsterdamer Institution retournierte diese vorerst nicht, da es Unklarheiten gab, wer nun der rechtmäßige Eigentümer sei. Zuletzt fiel eine Entscheidung zugunsten der Ukraine. "Zuerst holen wir uns das ‚Skythen-Gold‘ und danach die Krim", twitterte Präsident Selenskyi im Oktober. Im Jänner entschied sich die Krim zum Gang vor das Höchstgericht der Niederlande. (Olga Kronsteiner, 12.3.2022)