"Meduza"-Chefin Galina Timtschenko ist gegen ein Verbot von RT.

Foto: Imago / Russian Look

Russlands Präsident Wladimir Putin, hier als Gast bei RT im Jahr 2013, nutzt das RT-Netzwerk für seine Propaganda.

Foto: imago stock&people

"Die Verbreitung des Senders RT UK wurde eingestellt" oder "Der Account @de_rt_com wurde zurückgezogen": Mit solchen Botschaften weisen österreichische Kabelbetreiber wie Magenta oder internationale Dienste wie Twitter darauf hin, dass es dem staatlichen russischen Netzwerk RT, ehemals Russia Today, und dem Radiosender Sputnik in Europa an den Kragen geht. Die EU hat Wladimir Putins Propagandamaschinen als Instrumente der Kriegsführung und Desinformation eingestuft und ein Sendeverbot für die RT-Kanäle sowie über Sputnik verhängt.

Ob über Kabel, Satellit, IP-TV, oder Internetdienstleister: In Österreich droht Programmanbietern eine Verwaltungsstrafe von 50.000 Euro, wenn sie Inhalte zugänglich machen, die auf der EU-Sanktionsliste stehen. Davon betroffen sind etwa alle regionalen RT-Ableger wie RT UK, RT France oder RT Germany sowie das Radionetzwerk Sputnik.

Den Antrag im Verfassungsausschuss haben am Mittwoch ÖVP und Grüne eingebracht, auch SPÖ und Neos – mit Bedenken – stimmten dafür, die FPÖ hielt dagegen. Die Freiheitlichen erklärten das damit, dass so Verschwörungstheorien befeuert würden.

Andere russische Staatssender wie Rossija RTR oder der halbstaatliche Kanal Channel One Russia dürfen in der Europäischen Union hingegen weiter senden und finden sich nach wie vor im Angebot von Anbietern wie A1. Während A1 darauf hinweist, dass es die Inhalte der Sender nicht bewerten wolle und die Ausstrahlung rechtlich in Ordnung sei, hat etwa Magenta TV reagiert und Rossija RTR aus der Programmliste eliminiert.

Mit Inhalten überzeugen

Das Verbot von Programmen wie RT stößt aber auch auf Kritik. Sogar bei einer Frau, die selbst seit Jahren im Visier des Kreml steht und mit ihrer Onlinezeitung Meduza harten Repressionen ausgesetzt ist. Das zweisprachige Exilmedium mit Sitz in Lettland ist in Russland blockiert und wird als "ausländischer Agent" eingestuft.

Und dennoch sagt Meduza-Chefin und -Gründerin Galina Timtschenko: "Wenn du für Meinungs- und Pressefreiheit eintrittst, darfst du keine Medien sperren, auch wenn sie falsch sind und nur Propaganda verbreiten." Mit ihrer Verbotsentscheidung von RT spiegle die EU das Verhalten von Autokraten wie Putin wider.

"Russische Autoritäten haben damit begonnen, bestimmte Sachen zu verbieten, jetzt verbieten sie alles. Nur die nicht, die sie mögen", sagt Timtschenko dem STANDARD. Medien wie Meduza müssten mit ihren Inhalten überzeugen, um gegen die Konkurrenz zu reüssieren: "Wir kämpfen um das Publikum, nicht gegen Propagandisten und RT."

Den Einfluss von RT hält Timtschenko für maßlos überschätzt: "Haben Sie jemals eine Person kennengelernt, die RT schaut?" In Lettland sei beispielsweise Sputnik erst in den Fokus gerückt, als der Radiosender verboten wurde: "Ich habe niemanden gekannt, der das jemals gehört hat." Der Streisand-Effekt lasse grüßen.

RT-Einfluss überschätzt

RT wurde 2005 als Russia Today gegründet und hat mehrere fremdsprachige Ableger im Portfolio, die auf Englisch, Arabisch, Deutsch oder Spanisch senden. Der Kreml lässt sich sein Sprachrohr im Ausland mehrere Hundert Millionen Euro pro Jahr kosten. RT betreibt 22 Büros weltweit und beschäftigt rund 1000 Journalisten.

Laut eigenen Angaben ist RT in mehr als 100 Ländern auf fünf Kontinenten verfügbar und soll bis zu 700 Millionen Zuseherinnen und Zuseher erreichen können. Die technische Reichweite ist das eine, die tatsächlichen Seherzahlen der TV-Programme sind das andere. Und die sind überschaubar, sagte kürzlich der britische Medienexperte Stephen Hutchings. In Großbritannien sollen es wöchentlich 300.000 bis 500.000 sein, in den USA bewegen sie sich im niedrigen einstelligen Millionenbereich. Am erfolgreichsten sei RT mit seinem arabischen und spanischen Programm.

Das Verbot der Senderkette hält Hutchings nicht nur für problematisch, sondern sogar für kontraproduktiv – obwohl sie der verlängerte Arm des russischen Verteidigungsministeriums sei. Russland könne so sein Narrativ von unterdrückter Information weiterspinnen und mit Gegenmaßnahmen reagieren – wie etwa dem Gesetz gegen vermeintliche Fake News. (Oliver Mark, 12.3.2022)