
Wenn es einmal nicht Doskozil ist, der auf Rendi-Wagner herumhackt, dann springt "Profil"-Chef Christian Rainer per Morgenpost vom Dienstag in die Bresche. Vorauszuschicken ist dazu sein Bekenntnis: Ich persönlich war Zeit meines Journalistenlebens der Meinung, dass die österreichische Neutralität hohl ist und ein Zeichen von Feigheit, dass wir der NATO beitreten sollten. Der Satz ist ein wenig schief, da er aber von Rainer persönlich stammt und die neutralitätspolitische Quintessenz der Zeit meines Journalistenlebens darstellt, darf man sich mit der Feststellung begnügen, dass Morgenpost nicht immer Gold im Mund hat.
Als sich Christian Rainer am Montag um 16 Uhr an den Laptop setzte
Auch nicht, wenn sie lange vorher entstand. Vielmehr setzte ich mich gestern, Montag, um 16.00 Uhr an den Laptop, um zu schreiben, gewährte er "Profil"-Lesern Einblick in seine Schaffensweise, aber ich hätte die Zeilen allenfalls nachts ajouriert, was angesichts der sich überstürzenden Ereignisse in der Ukraine notwendig hätte werden können. Um 16.00 Uhr also warf ich auf der Suche nach einer Inspiration für diesen Text einen Blick in die Sozialen Medien, und da sich um diese Zeit in der Ukraine für ihn keine Ereignisse überstürzten, wurde er anderswo nicht nur fündig, sondern auch emotional und ärgerlich, was man als Journalist möglichst selten werden sollte. Was sich überstürzte, war auf Instagram ein Beitrag von Rendi-Wagner, und der lautete folgendermaßen: "Die Neutralität stärkt Österreichs Sicherheit seit 67 Jahren. Diese jetzt abzuqualifizieren wäre völlig falsch. Unsere Neutralität ist jetzt wertvoller denn je und mit der SPÖ nicht verhandelbar."
Nun kann man immer darüber nachdenken, wie weit die Neutralität Österreichs Sicherheit seit 67 Jahren gesichert hat und wertvoll ist. Wer Zeit meines Journalistenlebens bis einschließlich Montag 16.00 Uhr die Neutralität für hohl und ein Zeichen von Feigheit gehalten hat, wird anders darüber denken als Rendi-Wagner. Aber für Rainer gibt es da nur: Die SPÖ und die Neutralität? Widerlich! Wo Rendi-Wagner sagt: "Neutralität stellt sicher, dass Österreich von militärischen Bündnissen nicht gezwungen werden kann, Position einzunehmen (was Österreich ohne Zwang tut), heißt das in Rainers Umkehrschluss: Österreich soll bei dem Überfall Russlands auf die Ukraine keine Position einnehmen, soll sich nicht einmal mit Worten an die Seite der westlichen Verteidigungsgemeinschaft stellen.
Wirtschaftskammer scheut keinen Aufwand
Das ist eine durch keine Fakten belegte und um mit Rainer zu sprechen, einfach widerliche Unterstellung. Auch wenn so manche Gegner der Neutralität in ihrer Morgenpost Morgenluft wittern, wäre es nicht zum Schaden der Post gewesen, hätte der Postillion sie ein wenig nachts ajouriert.
Die Wirtschaftskammer Wien, scheut keinen Aufwand, wenn es gilt, für das geistige Wohl ihrer Mitglieder und das materielle des "Kurier" zu sorgen. In diesem Sinne schaltete sie neulich ganzseitig eine entgeltliche Kooperation zum Thema: Ein neuer, gemeinsamer Standard für den Astrologen-Beruf. Es ist nämlich so: Die Wiener Astrologinnen und Astrologen arbeiten an einem Qualitätssiegel. Dieses umfasst ein Bekenntnis zum Ausbildungscurriculum und einem gemeinsamen Berufsethos.
Astrologen vor
Dafür ist es höchste Zeit, umso mehr, als die Arbeiterkammer diese Berufsgruppe bisher sträflich vernachlässigt hat. Dabei ist Astrologie Homöopathie der Seele, was ihren Nutzen für das praktische Leben betrifft. Gibt es auch Pro bleme bei der Potenzierung der himmlischen Globuli, ist doch für die Sprecherin der Berufsgruppe klar: "Es braucht Fachwissen, Erfahrung und auch ein Talent dafür, um in der Astrologie erfolgreich tätig zu werden."
Die knapp über 100 aktiven Astrologinnen und Astrologen in Wien verfügen über die unterschiedlichsten Hintergründe. Es finden sich Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen darunter; oder auch Friseurinnen und Friseure, die für ihre typengerechten Stylings das Horoskop ihrer Kundschaft zu Rate ziehen. Auf Datenschutz kann bei der verantwortungsvollen Gestaltung einer Dauerwelle keine Rücksicht genommen werden. Leider gibt es einen großen Pool an Menschen, die beschäftigen sich mit Pendeln und Channeling und missbrauchen den Begriff "Astrologie" als werbewirksamen Aufhänger.
Damit soll Schluss sein. Um Kundinnen und Kunden die Sicherheit zu geben, dass die Wiener Astrologinnen und Astrologen die angebotenen Methoden etwa zur Deutung eines Horoskops beherrschen, arbeitet die Berufsgruppe an einem eigenen Qualitätssiegel. War auch an der Zeit. (Günter Traxler, 12.3.2022)