Am Sonntag empfängt die Austria den WAC in der Generali Arena. Der Sport stand in den vergangenen Tagen aber im Hintergrund.

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Man könnte am Verteilerkreis über so vieles reden: über die Meistergruppe, über die Aufbruchstimmung, über die hervorragende Arbeit von Trainer Manfred Schmid. Nach Monaten im Zeichen des wirtschaftlichen Überlebenskampfes böte jedes Thema für sich willkommene Abwechslung. Aber nein, vor der Partie gegen den Wolfsberger AC am Sonntag (14.30 Uhr/Sky) in der Generali Arena geht es nicht um Tore, Siege und Punkte, sondern um Gewalt, Rassismus und NS-Symbolik – einmal mehr.

Es ist vier Monate her, da unterstrich die Austria ihre Ambitionen im Kampf gegen Diskriminierung und Antisemitismus. Als erster österreichischer Fußballverein unterschrieben die Favoritner die Arbeitsdefinition Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Die Arbeitsdefinition der IHRA soll helfen, Antisemitismus frühzeitig zu erkennen und wirksam zu bekämpfen, indem sie sensibilisiert, was als Meinungsäußerung toleriert werden kann und wo die Grenze zum Antisemitismus überschritten wird.

Symbolik

Man muss nicht Rechtsphilosophie studiert haben, um zu erahnen, dass das Huldigen von NS-Symbolik in diesem Kontext inakzeptabel ist. Vergangenen Sonntag provozierten rechtsradikale Austria-Anhänger in der Südstadt mit Stolz getragenen SS-Totenköpfen auf ihren Kutten. Laut Aussagen von Admira-Spielern und -Klubverantwortlichen wurde der dunkelhäutige israelische Admiraner Joseph Ganda rassistisch beleidigt, die zum Teil maskierten Männer hätten zudem in den Admira-Fansektor eindringen wollen.

Die zur Schau getragenen SS-Totenköpfe sind leicht abgeändert, um nicht mit dem Verbotsgesetz in Konflikt zu geraten, an der Intention besteht allerdings kein Zweifel. Man möchte eher heute als morgen heim ins Reich. Warum der rechte Mob sich ausgerechnet jenem Verein anschließen will, dessen Geschichte über Jahrzehnte vom Juden und KZ-Überlebenden Norbert Lopper geprägt wurde, bleibt ein Rätsel. Möglicherweise scheitert es an der Lesekompetenz, es gibt zahlreiche ausgezeichnete Bücher zum Thema.

Das Problem ist bei der Austria jedenfalls nicht neu, seit mehr als einem Jahrzehnt schlägt sich der Klub mit Rechtsextremen in den eigenen Reihen herum. "Wir verurteilen die Vorfälle auf das Schärfste und distanzieren uns. Das sind Menschen, die eine Plattform suchen, die wir ihnen nicht geben dürfen. Sie schaden der gesamten Fußball-Community", heißt es in einem Statement des Vereins. Eine Stellungnahme, die im selben Wortlaut auch 2010 geschrieben hätte werden können.

Stadionverbote

Ging in den vergangenen Jahren überhaupt irgendetwas weiter? Dass kürzlich ein Austria-Mitarbeiter zusammengeschlagen wurde und die eigenen Kicker rassistisch beleidigt werden, deutet nicht auf wesentliche Verbesserungen hin. Immerhin, der rechtsextremen Gruppierung "Unsterblich" wurde 2013 der Status als Fanclub aberkannt, zehn Personen sind mit einem bundesweiten Stadionverbot belegt. 18 weitere Personen haben bei Heimspielen Hausverbot, auswärts wird ihnen der Zutritt zum Fansektor verwehrt, sie können sich allerdings wie zuletzt in der Südstadt unters normale Volk mischen – ein leichtgemachter Workaround sozusagen.

Die tonangebenden Fanklubs der Austria sind, vorsichtig formuliert, politisch nach rechts offen. Während der Pandemie vertrieben sich einige Anhänger die Zeit auf Corona-Demonstrationen. Der friedliche Widerstand wurde dabei nicht zu ihrem Markenzeichen, aus Verbindungen in die rechtsextreme Szene wird kein Geheimnis gemacht.

Nach den Vorfällen vom Sonntag hat die Austria jedenfalls vier weitere bundesweite Stadionverbote beantragt. Jetzt ist es an der Bundesliga, ein Verfahren einzuleiten. Die Austria sucht indes den Dialog mit den Fanklubs: "Wir erwarten, dass sich alle zu unserem Leitbild bekennen und die richtigen Schlüsse ziehen." Noch nie war der Wunsch mehr Vater des Gedankens. (Philip Bauer, 12.3.2022)