Keinen konkreten Plan, aber jede Menge offener Hintertüren: So könnte man das Ergebnis der Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag auf den Punkt bringen. Wann trotz hoher Inflation die erste Zinserhöhung der EZB seit 2011 kommt, steht weiterhin in den Sternen. Zwar hat Notenbankchefin Christine Lagarde mit dem früheren Verringern der Anleihenkäufe die Türe für einen Zinsschritt im zweiten Halbjahr theoretisch geöffnet, allerdings schaut es nicht so aus, als ob sie vorhätte, diesen Weg auch zu beschreiten. Vielmehr wies sie mehrfach auf die bestehenden Unsicherheiten durch den Ukraine-Krieg hin, daher halte sich die EZB alle Optionen offen.

Während die Notenbank bei der Inflationsbekämpfung zaudert, kommen aus Politik und Wirtschaft längst Vorschläge, wie hohen Benzinpreisen beizukommen sei – etwa durch eine Senkung der Mehrwertsteuer oder das Aufschieben des CO2-Preises. Allein Inflationsbekämpfung ist nicht Aufgabe der Politik. Zudem führen preissenkende Eingriffe zu unerwünschten Nebeneffekten, denn in einer Marktwirtschaft gilt: Das beste Mittel gegen hohe Preise sind hohe Preise. Nachdem während der 1970er-Jahre zwei politisch ausgelöste Ölpreisschocks die Energiepreise und die Inflation nach oben getrieben hatten, wurde die gesamte Wirtschaft effizienter im Umgang mit Öl und Strom: Jedes Prozent Wirtschaftswachstum erforderte schon im nächsten Jahrzehnt deutlich weniger Energieeinsatz – was auch dem Klima zugutekommt.

Schon damals entfalteten die Maßnahmen der Politik wie autofreie Tage oder Energieferien wenig Wirkung. Aber sie waren darauf ausgerichtet, den Verbrauch zu senken, statt ihn wie diesmal durch Steuerzuckerln auf hohem Niveau zu halten. Der Staat hat für Umverteilung zugunsten einkommensschwacher Haushalte zu sorgen. Die Inflationsbekämpfung ist Aufgabe der EZB, wenngleich sie auch um den Zusammenhalt der Eurozone besorgt ist, sollte ein steigendes Zinsniveau Staaten wie Italien oder Griechenland in Haushaltsnöte bringen.

Als Folge treten Notenbanken wie die Fed oder die Bank of England der Inflation entgegen, während nur die EZB zaudert. Dies könnte zur gefürchteten Lohn-Preis-Spirale führen, in der sich Einkommen und Verbraucherpreise gegenseitig hochschaukeln. Dazu kommt, dass die EZB in Prognosen die Inflation meist unterschätzt hat – kein gutes Omen, wenn selbst sie für heuer 5,1 Prozent Teuerung in der Eurozone erwartet. (Alexander Hahn, 12.3.2022)