Da steht man gerade noch in seinem schicken Apartment mit Meerblick, und schon wenige Sekunden später sitzt man in einem Raumschiff zum Kartenspielen mit Freunden – so stellt sich Facebook-Gründer Mark Zuckerberg die Zukunft vor. Weder Apartment noch Raumschiff noch Freunde sind freilich echt, denn das Leben, so Zuckerberg, soll künftig verstärkt in einer virtuellen Welt stattfinden. In einer Welt, die nicht nur den Facebook-Mutterkonzern Meta, sondern auch Unternehmen sehr reich machen soll.

Denn das Metaverse soll alles andere als eine konsumfreie Zone werden. Wer dort spielt, Konzerte oder Partys besucht, soll dafür zahlen – und auch das Apartment mit Meerblick gibt es nicht zum Nulltarif. Vor allem sollen Unternehmen dort aber ihre virtuellen und echten Produkte verkaufen können. Eine richtige Goldgrube wird das, verspricht Meta.

Umsatzerwartungen in Billionenhöhe

Seit Zuckerberg sein Metaverse vergangenen Herbst in einem Video vorgestellt hat, überschlagen sich die Prognosen: JP Morgan schätzt, dass der Umsatz in der virtuellen Welt einmal eine Billion US-Dollar übersteigen wird, Goldman Sachs spricht sogar von eins bis zwölf Billionen Dollar.

Virtuelle 3D-Welt, Leben im Netz, vollmundige Versprechen? Bei manchen dürfte da etwas klingeln. Schon Anfang der 2000er-Jahre wollte das Videospiel Second Life das Leben in einen virtuellen Raum verlegen, den man damals noch Cyberspace nannte. Manche sahen in dem 3D-Universum mit Fantasiewelten, aufregendem virtuellem Sex und potenziellem Reichtum nicht weniger als den Nachfolger zum öden, zweidimensionalen Internet. Vor allem sollte das Second Life-Unternehmen aber Repräsentation und Umsätze bringen.

Manche priesen das Online-Videospiel "Second Life" als Nachfolger des Internets. Einige Unternehmen bauten dort auch eine Firmenpräsenz auf.
Screenshot: Second Life

Ein Salzburger Hotelier baute etwa bereits 2007 eine Zweigstelle in der virtuellen Welt auf. Wer sich in eines der zwei Zimmer einmietete, konnte etwa virtuelle Milchbäder oder Massagen in Anspruch nehmen – dafür soll das Hotel sogar einen virtuellen Masseur eingestellt haben. Andernorts konnten wiederum (echte) Mozartkugeln und Wein bestellt werden.

Meta-Mozartkugeln

Die Firma Echonet half damals Firmen beim Einstieg ins Second Life. Für einmalig 3500 Euro und 600 Euro Fixkosten pro Monat war man dabei – inkludiert waren laut einem Verkaufsprospekt nicht nur Miete, sondern auch die virtuelle Grundsteuer, die an den Entwickler Linden Labs abgeführt werden musste. Außerdem kümmerte sich Echonet um die Sauberkeit auf dem Grundstück. Zu den ersten Kunden gehörten eine Bank und ein Sportsender, der in einer der Immobilien aufgezeichnete Matches abspielte.

Bessere Grafik, gleiches Prinzip? Das Konzept von Facebooks Metaverse erinnert verdächtig an "Second Life".
Screenshot: Metaverse

"In der Retrospektive war das eine Fehlinvestition, sagt Echonet-Geschäftsführer Roland Vidmar, der das Projekt schon damals mitbetreute. Das Mini-Wien im Second Life ist längst eingestellt, denn rentiert hat es sich nie. Warum der Hype damals so groß war? Vidmar hat eine Theorie: Viele Menschen hätten das Internet nie verstanden – und wie man dort Geld verdient erst recht nicht. "Mit der 3D-Welt konnte aber selbst der 72-jährige Vorstandsvorsitzende etwas anfangen", sagt Vidmar. Nur: Viele glaubten, dass Marketing dort deshalb so funktioniert wie in der realen Welt.

Wenig Leben im zweiten Leben

Also investierten Unternehmen in große Firmenschilder im virtuellen Raum, hängen Plakate auf und bespielten Videowalls. Benutzerfreundlich war das nicht. Auch der Absatz an realen Gütern hielt sich in Second Life deshalb in Grenzen. "Wenn ich Mozartkugeln kaufen will, will ich die mit einem Mausklick bestellen und nicht zuerst zwanzig Minuten durch die virtuelle Getreidegasse spazieren", sagt Vidmar. "Denn da wären die Nachteile beider Welten zusammengeführt."

Hat Facebook das Internet also schon wieder falsch verstanden so wie damals Linden Labs? Man wird es erst im Nachhinein wissen. Viel Leben findet man im Second Life derzeit jedenfalls nicht mehr. (Philip Pramer, 14.3.2022)