Die Volksschulanmeldung muss reformiert werden, sagen Julia Malle und Felix Stadler, Lehrende und Grünen-Landtagsabgeordnete, im Gastkommentar.

Oft hängt der Ruf einer Schule mehr vom vorurteilsbehafteten Bild der Schülerinnen und Schüler, die die Schule besuchen, ab als von der tatsächlichen pädagogischen Qualität des Unterrichts.
Foto: APA/Helmut Fohringer

Wie kürzlich im STANDARD beschrieben (siehe "Abgewiesene und Schummelnde"), wird die soziale Segregation zwischen Wiens Volksschulen immer größer. Das Problem dabei ist nicht die Qualität der Pädagogik an den sogenannten Brennpunktschulen, sondern der fehlende Wille zur sozialen Durchmischung.

In unterschiedlichen sozioökonomischen Milieus gibt es unterschiedliche Meinungen dazu, welche Schule "gut" ist und wo man seine Kinder guten Gewissens anmelden kann. Es ist verständlich, dass Eltern die "beste" Schule für ihre Kinder suchen. Doch genau hier beginnt die Problematik. Die Vorstellung, dass eine komplett freie Schulwahl zu mehr Wettbewerb zwischen den Schulen und dadurch zu mehr sozialer Gerechtigkeit und besseren Bildungsergebnissen führt, hat sich als falsch erwiesen. Bei der Schulplatzwahl setzen sich jene Eltern durch, die mehr Ressourcen, besseres Wissen und Kontakte haben. So werden einige Schulen von Müttern und Vätern überrannt, während andere zu wenige Anmeldungen haben. Indem Regeln bei der Anmeldung umgangen werden können, entstehen homogene Klassen – das schadet dem gesamten Bildungsstandort. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.

Was sollte in der Wiener Bildungspolitik anders gemacht werden? In einem ersten Schritt sollten jene Schulen, die weniger beliebt sind, mehr Ressourcen bekommen. Zusätzliche Lehrerkräfte und Zusatzangebote wie etwa innovative Schulversuche oder hochqualitative Nachmittagsbetreuung sind Anreize für viele Eltern. Es muss für alle die nächste Schule auch die beste Schule sein. So steigt die sozioökonomische Durchmischung und damit die Bildungschance aller Kinder – auch der Austausch zwischen verschiedenen sozioökonomischen Gruppen wird gefördert.

Verschiedene Quoten

Die weniger beliebten Schulen mit mehr Ressourcen auszustatten, um sie aufzuwerten, wird nicht reichen. Oftmals hängt der Ruf einer Schule mehr vom vorurteilsbehafteten Bild der Schülerinnen und Schüler, die die Schule besuchen, ab als von der tatsächlichen pädagogischen Qualität des Unterrichts. Die soziale Durchmischung muss daher eine politische Zielvorgabe sein, die durch ein neues Anmeldesystem und gezielte Steuerung erreicht werden kann. Wie von der Wissenschafterin Anita Zednik vorgeschlagen, können verschiedene Quotenregelungen, von der Erstsprache bis zum Bildungsgrad der Eltern, dabei helfen.

Stadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) ist gefordert, die derzeitige Volksschulanmeldung zu reformieren. Die Kriterien der Zuteilung müssen um soziale und ökonomische Faktoren erweitert werden. Elternwünsche sollen unter Angabe von zwei bis drei Wunschschulen gleichermaßen berücksichtigt werden wie gesellschaftliche Notwendigkeiten. So kann durch die oben genannten Quotenregelungen zentral gesteuert sozialer Ausgleich zwischen Schulen stattfinden. Gleichzeitig werden auch individuelle Wünsche berücksichtigt, und Stress und Druck auf Kinder, Eltern und Direktorinnen wie Direktoren werden reduziert. Nur mit einem neuen Anmeldesystem und politischen Zielvorgaben können wir den Spagat zwischen individuellen und gesellschaftlichen Interessen schaffen. Eine solche Reform ist machbar. Sie hätte große Auswirkungen auf die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in der Stadt. (Julia Malle, Felix Stadler, 14.3.2022)