Wer Wladimir Putins Krieg für jenen aller Russen hält, hat damit dem Westen und Russen keinen Bärendienst erwiesen.

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Im Zuge der Sanktionen, die dem russischen Angriffskrieg folgten, im Zuge des Auseinanderdriftens von Ost und West entwickeln sich als tragisches Beiwerk irrlichternde Irrläufer. Wer Wladimir Putins Krieg für jenen aller Russen hält, hat damit dem Westen und Russen keinen Bärendienst erwiesen: den Krieg des Bärenreiters heißen viele Russen nicht gut, auch wenn einige nicht bei den Demonstrationen aufzukreuzen wagen.

Leid unter dem Regime

Es sind auch längst nicht alle im Westen lebenden Russen Putins Anhänger. Viele haben wegen ihm das Land verlassen. Viele sind schon vor 1990 geflohen. Werke russischer Literatur, auch Klassiker, von der Spielliste zu streichen und russische Kunstschaffende pauschal auszuladen ist absurd. Gerade die freien Künste, gerade die Kunstschaffenden haben unter dem straffer und straffer werdenden Regime gelitten, viel riskiert, sich zur Wehr gesetzt. Viele waren zur Flucht gezwungen, einige blieben und kämpften. Man unterstützt sie nicht, indem man sie aufgrund ihres Passes, ihres Namens und ihrer Sprache ächtet.

Nahrung für Propaganda

Die Erfahrung, aufgrund der genannten Tatsachen angegriffen oder ausgegrenzt zu werden, motiviert auch nicht unbedingt dazu, sich gegen Putin zu stellen. Im Gegenteil: Damit erhält seine Propaganda, die ganze Welt sei russophob geworden, frische Nahrung. Es wird aber auf die noch Schweigenden, noch Unentschiedenen ankommen – auf jeden Einzelnen von ihnen. (Julya Rabinowich, 13.3.2022)