Der Name des russischen Präsidenten wurde sorgfältig verklebt – nun heißt das Geschäft nur noch "Liquor".

Foto: Maria Sterkl

Bier in Doppelliter-PET-Flaschen, Trockenfisch-Snacks und jede Menge Wodka: Seit 18 Jahren versorgt "Putin Liquor" die Menschen im Stadtviertel Hadar von Haifa mit russischen Lebensmitteln und Hochprozentigem. Fast jeder vierte Bewohner der nordisraelischen Hafenstadt hat Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion. 18 Jahre lang trug das Geschäft in der Arlozorovstraße denselben Namen. Bis vor elf Tagen. Da beschlossen die Eigentümer, das große Leuchtschild zur Hälfte zu überkleben. Seither heißt der Shop nicht mehr "Putin Liquor", sondern nur noch "Liquor".

"Wir sind gegen diesen Krieg", sagt Olga Berenson. Die Russin führt das Geschäft, im Team arbeiten aber auch Ukrainerinnen mit. "Als wir uns diesen Namen gaben, hatten wir nichts Politisches im Sinn", sagt Olga. "Wir wollten nur signalisieren, dass es hier Waren aus der früheren Sowjetunion gibt." Jetzt, nach der russischen Invasion in die Ukraine, sei der Name nicht mehr angemessen. Dass der Krieg in der Ukraine auch in Haifa einen Keil zwischen russisch- und ukrainischstämmige Communitys treiben könnte, glaubt in Haifa kaum jemand. "Wir sind doch alle aus der Sowjetunion", sagt Dani Hillel, der ein Buchgeschäft an der Herzlstraße betreibt. "Dass die Russen Krieg gegen die Ukrainer führen, ist die größte Dummheit, die jemanden einfallen kann." Hillel lebt seit fünfzig Jahren in Israel, ursprünglich ist er Georgier.

Anders als 2014

Er ist Historiker, hat seine Doktorarbeit über russische Geschichte geschrieben, spricht fünf Sprachen, ist ein höflicher Mensch. Aber wenn man ihn nach dem russischen Präsidenten fragt, dann sagt er: "Putin ist ein Hurensohn, ich hasse ihn."

Heute sei die Stimmung anders als 2014, als Russland in die Krim einmarschierte, erklärt die russischstämmige israelische Politikwissenschafterin Ksenia Swetlowa. Damals hätten sich die russischstämmigen Israelis weniger davon distanziert. "Heute sehen sie, dass Städte wie Kiew bombardiert werden, und dafür haben viele Russen kein Verständnis."

Am Tag der Invasion Russlands in die Ukraine hatten sich mehr als hundert Demonstranten vor dem russischen Konsulat in Haifa versammelt, darunter auch Israelis mit Wurzeln in Russland und Belarus. Auch Buchhändler Dani Hillel hat ein "Nein zum Krieg"-Schild vor seinem Laden aufgestellt. "Sie werden in Haifa keinen einzigen Russen finden, der für diesen Krieg ist", glaubt er.

Gegen Nazis

200 Meter entfernt von Danis Buchgeschäft steht die 50-jährige Tatjana vor einem russischen Lebensmittelgeschäft, scrollt durch ihre Facebook-Timeline und schüttelt immer wieder den Kopf. Die moldaustämmige Israelin ist anderer Meinung als viele ihrer Bekannten. "Was ich denke, gefällt niemandem", sagt sie. Zwar sei auch sie natürlich gegen Krieg, "manchmal hat man aber keine andere Wahl". Zum Beispiel "wenn man gegen Nazis kämpfen muss". Dass es in der Ukraine "wahnsinnig viele Nazis gibt, ist eine Tatsache", meint Tatjana, aber sie sagt es nicht zu laut.

Dass sich Israel den Sanktionen gegen Russland nicht anschließt, findet Tatjana gut.

Es werde aber auch ohne Sanktionen nicht zu verhindern sein, dass ihr irgendwann die Waren ausgehen, glaubt Olga vom "Liquor". Die Gefriertruhen mit den russischen Eislutschern sind noch gut gefüllt, das ukrainische Obolon-Dosenbier gibt es aber nur noch in der alkoholfreien Variante. Wenn der Krieg nicht bald ein Ende nimmt, "dann werden wir eben andere Dinge verkaufen müssen", sagt Olga. "Politik ist Politik, und Geschäft ist Geschäft." (Maria Sterkl aus Haifa, 14.3.2022)