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Nach Berichten über die Entführung von Iwan Federow wurde in der Stadt Melitopol demonstriert.

Foto: REUTERS /DEPUTY HEAD FOR PRESIDENTS OFFICE

Mit einem schwarzen Sack über dem Kopf und abgeführt von Vermummten: So endete am Freitag mutmaßlich Iwan Federows Amtszeit als Bürgermeister der ukrainischen Stadt Melitopol. Der 33-Jährige sei am Freitag bei einem Besuch des Krisenzentrums von einer Gruppe von "zehn Besatzern" verschleppt worden, hieß es in der Twitter-Nachricht des ukrainischen Parlaments.

Ein Video von der Entführung kursiert in den sozialen Medien und löste international Empörung aus. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte am Samstag Federows Freilassung und bat die westlichen Staaten um Hilfe. Er sieht in der Entführung eine "neue Dimension des russischen Terrors".

Strategisch wichtig

Melitopol, eine Kleinstadt nördlich des Asowschen Meeres, die wie Mariupol an strategisch wichtiger Stelle für eine Landbrücke zur annektierten Krim liegt, wurde schon am ersten Tag des Krieges angegriffen. Wenige Tage später rückten russische Soldaten ein.

Seitdem rief Federow, selbst russischsprachig, offen und auf mehreren Kanälen zum Widerstand auf. Fast täglich postete er kurze Live-Videos in den sozialen Medien, veröffentlichte aktualisierte Listen mit Infos zu verfügbaren Lebensmitteln, geöffneten Apotheken und funktionierenden Geldautomaten. Er warnte die Bevölkerung vor Konfrontationen mit russischen Soldaten und forderte sie auf, die ab 18 Uhr geltende Ausgangssperre einzuhalten.

Der in Melitopol Geborene erfüllte laut Weggefährten seine Rolle als Kommunalpolitiker immer schon mit Leib und Seele. Nach einem Abschluss im Bereich Wirtschaft und Management wurde er 2010 erst 21-jährig Mitglied des Stadtrats, Ende 2020 wählten ihn die Bürgerinnen und Bürger Melitopols zum Bürgermeister. Sie machen sich nun Sorgen um die Zukunft ihres Stadtchefs – und die eigene.

Statthalterin eingesetzt

An Federows Stelle leitet seit Samstag die Moskau-treue ehemalige Stadträtin Halyna Daniltschenko die Stadt. Damit setzte Moskau erstmals in einem eroberten Gebiet eine eigene Statthalterin ein. Man solle sich "den Realitäten anpassen" und so schnell wie möglich "auf eine neue Art zu leben" einstellen, wird Daniltschenko zitiert.

Federow selbst wurde von der Staatsanwaltschaft der selbsternannten Volksrepublik Luhansk angeklagt. Er habe die verbotene rechtsextreme Organisation "Rechter Sektor" unterstützt. Gerüchte von Folter in Haft machten am Sonntag die Runde. (Manuela Honsig-Erlenburg, 13.3.2022)