Busek bei der "Wien-Rede" der ÖVP Wien im Herbst 2021.

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Wien – Der 31. Juli 1975 war kein besonders leichter Tag für die ÖVP: Zwei Wochen nachdem ihr Parteichef und Kanzlerkandidat Karl Schleinzer bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, musste sie eine neue Führung installieren. Im Wiener Konzerthaus wurden ein paar Trauerreden gehalten und dann Josef Taus als Parteichef und Erhard Busek als dessen Generalsekretär gewählt. Erhard wer? Busek hatte zwar schon eine Karriere als Klubsekretär und als Generalsekretär des Wirtschaftsbundes hinter sich, Schleinzer hatte sich vorgenommen, den jungen Wiener in seinem Team der "jungen Löwen" aufzubauen. Aber innerhalb und erst recht außerhalb der ÖVP war der neue ÖVP-General noch recht unbekannt. Das änderte sich schlagartig.

Die bereits im Wahlkampf für die Nationalratswahl im Herbst stehende Volkspartei bewies Geschlossenheit. Busek erhielt 480 von 486 Stimmen, trat ans Mikrofon und hielt eine Rede, die eines Parteiobmanns würdig gewesen wäre. "Wir stehen unter dem Zwang des Handelns", sagte er, und: "Wir werden diesen Zwang zu einem Gesetz des Handelns umgestalten." Die aktuelle Politik – die vor vier Jahrzehnten aktuelle Politik wohlgemerkt – sei "nicht mehr Gestaltung, sondern Ablenkung und Unterhaltung", donnerte der Politiker, den von Stund' an das ganze Land kannte. Es gehe auch nicht darum, um jeden Preis zu regieren, man könne nicht auf die Vertretung der eigenen Grundsätze verzichten, sonst mache man "den Kompromiss zur Ideologie".

Wollte sich der damals 34 Jahre alte Busek also als der eigentliche Parteichef profilieren? Nein, das überließ er dem gewählten Spitzenmann Taus, der eine noch bewegendere Rede hielt. Aber dass der Generalsekretär in nächster Zeit den Ton innerhalb der Partei angeben würde, war klargestellt.

Knackwürste mit Brillen

Für einen Wahlsieg gegen Kreisky reichte es zwar nicht, aber Busek beeindruckte die politische Szene mit Witz und Charme – das Duo Taus/Busek bezeichnete er selbst als "zwei kalte Knackwürste mit Brillen", ein Bild, das Karikaturisten begeistert aufgriffen. Allerdings hielt es Busek nicht lange in der Kärntner Straße, wo damals die ÖVP-Zentrale war. Der Analyse der verlorenen Wahl 1975 hatte er nämlich entnommen, dass die ÖVP vor allem in den Großstädten schwächelte – und da wieder besonders in Wien.

Busek drängte es schon als Generalsekretär, der in den bürgerlichen Bezirken schläfrigen und in den Arbeiterbezirken beinahe inexistenten Wiener Stadtpartei Beine zu machen. Als dann im Sommer 1976 die Reichsbrücke einstürzte, war die Wiener ÖVP unfähig, die Verantwortung für den Zustand der städtischen Infrastruktur der SPÖ anzukreiden, obwohl diese jeden denkbaren Kommunikationsfehler machte. Schließlich trat der damalige Wiener ÖVP-Chef Franz Bauer (aber niemand aus der SPÖ) zurück – der Weg für Busek an die Spitze der Rathausopposition war frei.

Bunte Vögel

Der neue Landesparteichef wusste, dass mit den in Ehren ergrauten Funktionären keine Wahl zu gewinnen war – also umgab er sich mit einem als "Bunte Vögel" bezeichneten Team, verpasste der Landespartei ein eigenes "Spektakelreferat" unter Alf Kraulitz und nahm sich (unterstützt vom genialen Kommunalpolitiker Johannes Hawlik) der Sorgen der Menschen in den Bezirken an, veranstaltete Grätzeltreffen, pflanzte Bäume und tauschte den Sand in den Sandkisten aus – immer mit dem Hinweis, dass seine Aktion "pro Wien" dort einspringt, wo die rote Stadtverwaltung (im Gegensatz zu den bunten Vögeln grafisch als rote Saurier dargestellt) bis dahin weggesehen, verdrängt, versagt habe.

Busek gelang es, in der verschlafenen Bundeshauptstadt die Beislszene zu etablieren (auch indem er gegen den Widerstand konservativer Bezirksvorsteher größere Schanigärten und längere Öffnungszeiten erstritt). Als Krönung dieser Aktivitäten galt die Veranstaltung von Stadtfesten: Sie waren als Gegenpol zum roten Maiaufmarsch gedacht – später hat die SPÖ die Idee aufgegriffen und dem bunt-schwarzen Stadtfest das rote Donauinselfest entgegengesetzt.

Grüne Themen

Tatsächlich wurde Buseks Engagement von den Wählern honoriert: 1978 erreichte die ÖVP 33,77 Prozent, Busek wurde Vizebürgermeister und führte die Landes-ÖVP fünf Jahre später zu ihrem größten Erfolg: 34,82 Prozent erreichte sie 1983, so viel wie seit 1949 nicht – und seither auch nicht mehr. Die Erklärung für Buseks kommunalpolitischen Erfolg liegt nicht nur in der Schwäche seiner Gegner, sondern auch in Buseks Talent, in der Luft liegende Themen zu erkennen, originell zu formulieren und auf die politische Agenda zu bringen. 1978 stellte er unmittelbar nach der Gemeinderatswahl die ÖVP-Plakatständer für Plakate gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf zur Verfügung – diese ging dann knapp im Sinne der AKW-Gegner aus. Busek hatte sich in der Umweltszene einen Namen gemacht und gleichzeitig die ÖVP geöffnet.

Als dann die Grünen in den 1980er-Jahre selber in die Volksvertretungen drängten, plakatierte seine Landespartei mit Erfolg den Slogan "Grün heißt in Wien: Busek – ÖVP". Buseks Öko-Engagement wurde vielfach mit Wohlgefallen betrachtet – sogar von der "Kronen Zeitung", die seinerzeit ihre eigene Kampagne gegen das Kraftwerk Hainburg begann, gegen das sich Busek und sein Mitstreiter Jörg Mauthe frühzeitig engagiert haben.

Diese mediale Unterstützung – und die Erfolgssträhne der Landes-ÖVP – rissen ab, als 1984 Helmut Zilk aus der Bundesregierung ins Bürgermeisteramt wechselte. Zilk war früherer "Krone"-Journalist, und er hatte dasselbe Talent wie Busek, Bürgeranliegen aufzugreifen – mit dem entscheidenden Unterschied, dass Zilk von Amts wegen durchsetzen konnte, was die Rathausopposition unter Busek bloß als Forderung einbringen konnte. In der ÖVP machte sich Frustration breit, in der von den Bunten Vögeln oft übergangenen Funktionärsschicht wohl auch eine gewisse Häme darüber, dass die Vögel bei der Landtagswahl 1988 deutlich gerupft wurden.

Busek selber suchte 1989 den Absprung als Wissenschaftsminister in die Bundesregierung – noch im selben Jahr wurde er als Landesparteichef abgelöst. Seine Nachfolger in der Wiener ÖVP bewiesen allesamt weniger Fortüne als Busek, der seinerseits kein Hehl daraus machte, dass er die Parteiapparatschiks für provinzielle Auslaufmodelle hielt.

Persönliche Außenpolitik

Dabei profitierten diese von einer politischen Liebhaberei Buseks: Dieser hatte in den 1980er-Jahren Kontakte zu Oppositionellen in den damals kommunistisch unterdrückten Ostblockländern geknüpft, die nun von der ÖVP reklamiert wurden. Busek galt im Jahr der Wende 1989 als einer der wenigen österreichischen Politiker, die über die Vorgänge hinter dem Eisernen Vorhang bestens unterrichtet waren – viel später, als einige von Buseks Kontaktpersonen in hohe Funktionen der nun demokratischen Länder aufgestiegen waren, machte Busek für das Europäische Forum Alpbach diese Kontakte nutzbar. Die Präsidentschaft (2000 bis 2012) und nachfolgende lebenslange Ehrenpräsidentschaft des Europäischen Forums war eine jener Funktionen, die Busek auch nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik im Bewusstsein der österreichischen Öffentlichkeit präsent hielten. Weniger bekannt (und auch nicht immer populär) in den EU-kritischen Medien waren Buseks Aktivitäten als Erweiterungsbeauftragter der Bundesregierung (2000 bis 2002), als Präsident des Instituts für den Donauraum und als Leiter des Gustav-Mahler-Jugendorchesters.

Dass Busek viele Jahre lang ÖVP-Kultursprecher gewesen war – und in den 1980er-Jahren entscheidend dazu beigetragen hatte, dass "Wien um 1900" als künstlerisches und wissenschaftliches Zentrum wiederentdeckt wurde –, wurde ihm von der Partei nicht gedankt. Dort ging es um Macht – und der in katholischen Laienorganisationen ebenso wie in der Machtbalance der Bünde sozialisierte Busek scheute sich nicht, die Machtspiele der Volkspartei lustvoll mitzuspielen. Schon als Wiener Landesparteichef hatte er die Parteispitze mit gelegentlichen Zwischenrufen zu irritieren verstanden – sein Wechsel in die Bundespolitik 1989 ging einher mit der Ablöse Alois Mocks als Parteiobmann, was ihm viele in der Partei nicht verzeihen wollten. Auf Mock folgte der wenig glücklich agierende Josef Riegler, der vergeblich versuchte, die Partei auf einen ökosozialen Kurs zu trimmen.

Zurück in der Bundespartei

Busek hatte sich da schon von den grünen Themen gelöst – wiewohl er gelegentlich bei Veranstaltungen der Grünen als Gast auftauchte – und verfolgte pragmatisch seinen eigenen Weg an die Parteispitze. 1990 verlor Riegler die Nationalratswahl (die ÖVP sackte um neun Prozentpunkte auf weit unter 40 Prozent ab), und Busek sollte das Desaster verwalten. Er tat es mit proeuropäischem Verantwortungsbewusstsein und Sachverstand, wurde Vizekanzler und gleichzeitig Bundesminister für Wissenschaft und Forschung (bis 1994) sowie Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (1994–1995) – aber gegen das Wachstum von Jörg Haiders FPÖ, die tief in konservative Wählerschichten eindringen konnte, fiel auch Busek kein geeignetes Mittel ein.

Nach der Wahlniederlage 1994 (die ÖVP landete bei 27,7 Prozent) musste er Wolfgang Schüssel Platz machen. Busek schied 1995 aus der Bundesregierung aus und widmete sich künftig der internationalen Politik, der Kunst und nahm seine publizistische Tätigkeit wieder auf – mit dem ihm eigenen feinen Witz: "Eine österreichische Sonderform der Konfliktvermeidung ist dabei die Tendenz, den Kompromiss schon zu wissen, bevor man den Konflikt erkannt hat, um womöglich auf diese Weise das Problem überhaupt zu verkennen", schrieb er bereits 1983 in seinem Essay "Zurück zur Politik", der noch heute erstaunlich aktuell wirkt.

Möglicherweise war Busek das, was er nach dem Urteil von Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer war: "Zu gescheit für die Politik." Seinem Nachfolger an der Parteispitze, dem späteren Bundeskanzler Schüssel, hat er jedenfalls zum Amtsantritt eine Karikatur geschenkt, auf der er ihm riet, er solle eben "nicht zu g'scheit sein". In der Nacht auf Montag ist Erhard Busek im Alter von 80 Jahren gestorben. (Conrad Seidl, 14.3.2022)