Diese Tage jährte sich der sogenannte "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland. Dabei spielte der erste Parteichef der FPÖ eine wichtige Rolle: Anton Reinthaller war Minister im kurzlebigen Kabinett österreichischer Nationalsozialisten. Gleichzeitig mit dem Einmarsch deutscher Truppen am 12. März 1938 lief eine gewaltige Verhaftungswelle an. Juden und Jüdinnen wurden zu "Reibpartien" gezwungen, unter Gejohle, Beschimpfungen und Schlägen von Passanten und Passantinnen, mussten sie die Straßen von Parolen für die zuvor abgesagte Volksabstimmung zu säubern.

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Am 11. März 1938 übernahmen die Nazis in Österreich die Macht. Tausende Wiener und Wienerinnen versammelten sich siegestrunken in den Abendstunden vor dem Bundeskanzleramt, um danach durch die Innenstadt zu ziehen, Juden und Jüdinnen zu verprügeln und Auslagen einzuschlagen. Am Balkon des Bundeskanzleramts nahm auch der gebürtige Oberösterreicher Anton Reinthaller den Jubel der Menge entgegen, er grüßte sie mit dem Hitler-Gruß. Tags darauf marschieren deutsche Truppen in Österreich ein und Reinthaller ist Landwirtschaftsminister einer aus Nazis bestehenden Regierung, angeführt von Bundeskanzler Arthur Seyß-Inquart. 18 Jahre später wird Reinthaller zum ersten Parteivorsitzenden der FPÖ gewählt.

FPÖ redet die Rolle Reinthallers klein

Seine Rolle wird von Freiheitlichen bis heute klein- und schöngeredet. In einem aktuellen FPÖ-Schulungsvideo wird der 1895 geborenen Reinthaller als "umstritten" bezeichnet. Einer, der im freiheitlichen Lager als "hochanständiger Idealist" gesehen wurde, während er für die politischen Gegner "ein Nazi" war, heißt es darin. Im Video erzählt der Parteialtvordere Andreas Mölzer, Reinthaller habe sich während der NS-Zeit besonders für österreichische Bergbauern eingesetzt. Kein Wort ist hingegen darüber hören, dass Reinthaller die Zuweisung von Zwangsarbeitern für die Landwirtschaft und die "Entjudung" von Forstbesitz oblag. Oder seinem Besuch im Konzentrationslager Mauthausen.

Am 12. März marschierten deutsche Truppen in Österreich ein und wurden dabei stürmisch begrüßt. Die Reise Hitlers von Braunau über Linz nach Wien war ein einziger Triumphzug.
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Nachdem die Regierung Seyß-Inquart bereits am 13. März 1938 wieder Geschichte war, dem Tag des "Anschlusses Österreichs" an das Deutsche Reich, wurde Reinthaller NSDAP-Reichstagsabgeordneter und ab 1939 bis Kriegsende Unterstaatssekretär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin, 1942 Landesbauernführer Niederdonau, wie Niederösterreich damals hieß. Als solcher trug er auch die politische Verantwortung für die vielen Zwangsarbeiter, die gerade auch in Niederösterreich in der Landwirtschaft arbeiteten. Der Historiker Bertrand Perz hat rausgefunden, dass Reinthaller im Jahr 1942 das KZ Mauthausen besuchte. An dem Tag wurden "zwei jüdische Flüchtlinge" erschossen, ein weiterer Mann starb im "Elektrozaun", wie in einem Bericht vermerkt wurde.

SS-General

Im Dezember 1938 trat er der SS bei und stieg bei jener Organisation, die 1946 wegen ihrer maßgeblichen Beteiligung an Kriegsverbrechen und der Shoa zur verbrecherischen Organisation erklärt wurde. Reinthaller selbst sagte dazu, er sei "ehrenhalber aufgenommen" worden. Eine These, die auch im Schulungsvideo der FPÖ zu hören ist. Allerdings klingt die Aussage wie eine klassische Schutzbehauptung. Immerhin wurde der spätere FPÖ-Politiker 1941 in den Rang des SS-Brigadeführers befördert und bekam gleich mehrere SS-Ehrenabzeichen.

Der SS-Brigadeführer (Generalsrang) Anton Reinthaller.
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1945 landete Reinthaller auf einer Kriegsverbrecherliste, kam aber glimpflich davon. Nach seiner Begnadigung 1953 – 1950 wurde er wegen Hochverrats zu einer Haftstrafe verurteilt – wurde Reinthaller "eine Art Galionsfigur" im Milieu der ehemaligen Nationalsozialisten. Seine Rolle im NS-Regime bereitete ihm Zeit seines Lebens wohl keine Gewissenbisse. Die Vernichtung der Juden sei Hitlers "Wahn" gewesen, auch habe das "Weltjudentum" sich selbst zur "kriegsführenden Macht" erklärt, schrieb er in seinem Tagebuch. Reinthaller sei einer der "Ehemaligen" gewesen, die sich nach 1945 vom Nationalsozialismus distanziert und zu Österreich bekannt haben. "Er bewies eine gewisse Anpassungsfähigkeit und war somit auch kompatibel für die österreichische Nachkriegsdemokratie", urteilt die Historikerin Margit Reiter, die mit ihrem Buch "Die Ehemaligen", das Standardwerk über die Entstehung der FPÖ schrieb.

Ernst Kaltenbrunner war nach 1934 kurzzeitig der Sekretär Reinthallers

Zwei seiner Gefährten endeten hingegen am Strang. Der Kurzzeit-Bundeskanzler Seyß-Inquart wurde im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess zum Tode verurteilt und im Jahr 1946 hingerichtet. Seyß-Inquart wurde von Hitler als Reichskommissar in den besetzten Niederlanden eingesetzt. Dort war er für die Einführung von Zwangsarbeit, Deportationen von über 100.000 niederländischen Juden in Vernichtungslager und Erschießung von Widerstandskämpfern verantwortlich.

Der FPÖ-Parteichef Anton Reinthaller.
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Auch Ernst Kaltenbrunner, der ehemalige Privatsekretär Reinthallers, wurde in Nürnberg hingerichtet. Beide lernten sich 1934 kennen und verfolgten in jener Zeit die Strategie, die österreichische NSDAP auch über Wahlen an die Macht zu bringen wollen, während andere Nazis fast ausschließlich auf Terroraktionen setzten.

Ein Referat leitete die Vernichtungsaktion gegen die Juden

Der ebenfalls aus Oberösterreich stammende Burschenschafter und SS-Mann Ernst Kaltenbrunner wurde 1943 zum Chef des Reichssicherheitshauptamtes ernannt, einer im September 1939 errichteten Behörde, die verschiedene Dienststellen des Staates (zum Beispiel Geheime Staatspolizei (Gestapo), Sicherheitspolizei und der NSDAP (vor allem der SS) zusammenfasste. Das RSHA wurde zu einem Unterdrückungsinstrument des nationalsozialistischen Staates entwickelt. Wer an der Spitze stand, galt nach Hitler und SS-Reichsführer Himmler als der drittmächtigste Mann im "Deutschen Reich", hatte seine Augen und Ohren überall, wusste alles, erfuhr alles und konnte alles befehlen. Ein Referat leitete die Vernichtungsaktion gegen die Juden.

Rechts im Bild: Ernst Kaltenbrunner, der ehemalige Sekretär Reinthallers beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess
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Kaltenbrunner gab Befehle, Widerstandskämpfer und Widerstandskämpferinnen, gefangene alliierte Kommandos und Soldaten erschießen zu lassen. Er unterschrieb Befehle zur Erschießung von Zwangsarbeitern, er Einzel- und Massenverhaftungsbefehle, die Abtreibungsbefehle für schwangere Zwangsarbeiterinnen und Einweisungsbefehle ins KZ wegen "deutschfeindlicher" Äußerungen. Kaltenbrunner arbeitete maßgeblich an der Deportation und Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen mit, sowohl bei der Ermordung der Überlebenden des Warschauer Ghettoaufstands, der Deportation der Juden aus Saloniki, Dänemark oder Ungarn; Kaltenbrunner sorgte mit seinen Befehlen für ihr Ende in Auschwitz und anderen Vernichtungslagern.

Der KZ-Häftling Francisco Boix lieferte Beweise

Beweise für die Verurteilung von Kaltenbrunner lieferte der spanische Antifaschist Francisco Boix – der Fotograf von Mauthausen. Seine Fotos, deren Negative er gemeinsam mit anderen KZ-Häftlingen verstecken und so vor der Vernichtung retten konnte, waren später in den Nürnberger Prozessen und in den Dachauer Mauthausen-Prozessen wichtige Beweismittel. Unter anderem bewiesen diese Aufnahmen, dass Heinrich Himmler, und Ernst Kaltenbrunner zu Besuchen im Konzentrationslager gewesen waren. Was Kaltenbrunner vor Gericht abstritt.

Boix, dessen Leben Netflix verfilmte und der Wiener Verlag bahoe books in der Graphic Novel "Der Fotograf von Mauthausen" verewigte, kämpfte auf Seite der Republik in Spanien gegen die Truppen des faschistischen Diktators Francisco Franco. Nach der Niederlage der Republik im Frühjahr 1939 floh er nach Frankreich, wo er schließlich den Nazis in die Hände fiel und 1941 nach Mauthausen deportiert wurde. Nach seiner Ankunft in Mauthausen wurde Boix aufgrund seiner fotografischen Vorkenntnisse dazu eingeteilt, ankommende Häftlinge zu fotografieren. Mit mehr als 7.000 weiteren Antifaschisten aus Spanien war er bis Mai 1945 im KZ Mauthausen inhaftiert.

Der Wiener Verlag bahoe books
veröffentlichte die Graphic Novel "Der Fotograf von Mauthausen".
Foto: Screenshot

Reinthaller war nicht der einzige hochrangige Nationalsozialist bei er FPÖ. Als dieser 1958 starb, folgte ihm Friedrich Peter nach, der im Zweiten Weltkrieg Mitglied einer SS-Mordbrigade war. Eine Mitgliedschaft, die auch in FPÖ-Schulungsvideo nicht thematisiert wurde. "Es konnte ihm keine persönliche Schuld nachgewiesen werden", führt Andreas Mölzer aus.

SS- und SA Männer an der Wiege der FPÖ

Unter den Nazis legte auch das FPÖ-Gründungsmitglied Klaus Mahnert eine steile Karriere hin. Der SS-Obersturmbannführer brachte es zum Gauleiter-Stellvertreter und schließlich zum Gauinspekteur von Tirol und Vorarlberg. Im Juni 1948 wurde Mahnert zu elf Jahren Haft verurteilt, aber bereits im Dezember 1949 begnadigt. Für die FPÖ war er als Mitglied der Bundesparteileitung sowie als Abgeordneter zum Nationalrat tätig.

Zu den Gründern der FPÖ zählte auch der ehemalige SA-Sturmführer Otto Scrinzi. Der Nervenfacharzt saß für die FPÖ im Nationalrat und war acht Jahre lang stellvertretender Parteichef. Aus seiner politischen Verortung machte Scrinzi nie ein Hehl: "Ich war schon immer rechts, auch innerhalb der NSDAP. Dazu gesellten sich ehemalige Hitlerjugendführer und Propagandamitarbeiter. (Markus Sulzbacher, 19.3.2022)