Wien – Dem Österreichischen Presserat ist 2021 nicht die Arbeit ausgegangen. Er war mit einer Vielzahl an Mitteilungen konfrontiert, von denen 647 als Fälle behandelt wurden – so viele wie noch nie seit der Wiedergründung des Selbstkontrollorgans im Jahr 2010. Zum Vergleich: Damals waren es 418 Fälle, im Jahr 2019 waren es 297.

"Die stark gestiegene Fallzahl lässt auf eine zunehmende Anerkennung des Presserats in der Bevölkerung schließen", sagt Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek. Er fordert eine Erhöhung der finanziellen Mittel, "um unsere Funktionsfähigkeit auch in Zukunft zu gewährleisten". Diese Mittel seien seit 2010 nicht angepasst worden, es gebe dazu Gespräche mit dem Medienministerium.

Obwohl die Fallzahl im vergangenen Jahr so hoch war, gab es mit 31 weniger Verstöße gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse als im Jahr 2020, als es 36 waren. In 25 Fällen schickte der Presserat Briefe an Medien.

"Krone" mit den meisten Verstößen, gefolgt vom "Wochenblick"

Die meisten Verstöße – insgesamt neun – handelte sich 2021 die "Kronen Zeitung" ein, gefolgt vom Rechts-außen-Medium "Wochenblick" mit acht. Die meisten Rügen drehten sich um die Corona-Berichterstattung des "Wochenblick", für Andreas Koller vom Senat 2 des Presserats eine "typische Publikation, die dazu beiträgt, die Schwurblerszene zu befeuern, und mit Fake News Politik macht".

Sechsmal hat die Mediengruppe Österreich 2021 gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse verstoßen, fünf Verstöße sah der Presserat bei der Berichterstattung von "Heute", zwei bei den "Niederösterreichischen Nachrichten". Je eine Rüge gab es für den "Kurier", die "Ischler Woche" und – wie berichtet – den STANDARD.

Die meisten Mitteilungen an den Presserat gingen mit 111 zur "Kronen Zeitung" ein, gefolgt vom STANDARD mit 102, wobei nur eine davon in einem Verstoß mündete. Der Presserat differenziert bei den hier ausgewiesenen Fällen nicht, ob es sich um um das Print- oder das Onlinemedium handelt.

Ethikverstöße gegen Persönlichkeitsrechte

Die meisten Ethikverstöße betrafen die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Darunter fällt etwa die Veröffentlichung von Bildern des zusammengebrochenen Fußballers Christian Eriksen während der Fußball-EM auf krone.at oder die Veröffentlichung eines Videos einer Überwachungskamera, in dem ein Mann von mehreren Personen brutal zusammengeschlagen wird (Video auf oe24.at). Gerügt wurde auch die Bezeichnung einer Tischtennisspielerin als "Glitzer-Neuzugang" und "Bling-Bling-Neuzugang" ("Kronen Zeitung"), diese Bezeichnungen wurden auch als frauendiskriminierend gewertet.

Vor allem der "Wochenblick" verstieß gegen das Gebot einer gewissenhaften und korrekten Recherche und Wiedergabe von Nachrichten. Das Medium verbreitete besonders beim Thema Covid-19 Falschnachrichten und Verschwörungstheorien.

Verstöße gegen das Gebot, zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten zu unterscheiden, hat der Presserat etwa bei Beiträgen über die Casinos Austria in der "Kronen Zeitung" und dem "Kurier" festgestellt.

Entblößte Brust in "BoB"-Beilage des "Falter"

Ein großes Thema war das "Geilzeit"-Sujet in der "Best of Böse"-Beilage des "Falter", in dem die Lebensgefährtin von Ex-Kanzler Sebastian Kurz als heilige Maria mit entblößter Brust dargestellt wurde. Wie berichtet wertete der Presserat diese Satire nicht als Ethikverstoß. Die Presse- und Meinungsfreiheit seien bei Satire und Karikatur besonders weit auszulegen.

Auch die veröffentlichten Chatnachrichten von Spitzenpolitikern wurden vom Presserat nicht geahndet. Hier argumentierte der Presserat, dass der Inhalt dieser Chats politisch brisant sei und deren Wiedergabe von demokratiepolitischer Bedeutung und öffentlichem Interesse. (red, 15.3.2022)