Die aktuell sehr hohen Personalausfälle machen eine Planung kaum noch möglich.

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Wir erleben die bisher größte Welle seit Pandemiebeginn. Nie zuvor waren die Infektionszahlen so hoch wie in den vergangenen sieben Tagen. Aber, so betonen es Politikerinnen und Politiker, die Welle wird in den nächsten Tagen oder Wochen abflachen. Bis dahin sei eine Überlastung der kritischen Infrastruktur auszuschließen, die Lage in den Spitälern sei weiter stabil. So argumentierte die Bundesregierung die breiten Öffnungsschritte Anfang März.

Ein Rundruf in Krankenhäusern vermittelt ein weniger optimistisches Bild: "Wenn ich höre, dass die Krankenhäuser aktuell nicht ausgelastet wären, kann ich nur entgegnen: Das stimmt nicht. So instabil wie jetzt waren wir noch nie", beklagt Elisabeth Bräutigam, ärztliche Direktorin im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern. Grund dafür sei die schlechtere Planbarkeit als noch vergangenen Herbst.

Hohe Corona-bedingte Personalausfälle

Die Situation ist jetzt eine andere als im November 2021: In der Delta-Welle drohte die Überlastung der Intensivstationen. Um das zu verhindern, wurden aufschiebbare Operationen verschoben und Personalressourcen für Intensivstationen gebündelt. Im November, am Höhepunkt der Delta-Welle, musste etwa die Hälfte aller Eingriffe abseits von Notfällen verschoben werden, sagt Johannes Schwamberger von Tirol Kliniken: "Wir hatten teilweise bis zu 50 Prozent Leistungseinschränkung." Von dieser hohen Belastung der Intensivstationen sei man aktuell weit entfernt.

Das soll allerdings nicht nach Entwarnung zur Situation in Spitälern klingen, findet Bräutigam vom Ordensklinikum Linz: "Im vergangenen Herbst konnte in geordneter und geplanter Weise runtergefahren werden. Das geht jetzt nicht mehr." Die Intensivstationen seien zwar nicht mehr das Problem, aber die hohe Belastung der Normalstation und die Personalausfälle.

Bereits vergangenen Freitag wurden die OP-Kapazitäten im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwerstern zurückgefahren, aber die Situation ändere sich nahezu stündlich, berichtet Bräutigam: "Es sind also auch kurzfristig OP-Verschiebungen notwendig. Eine Planung ist de facto nicht mehr möglich." Das liege einerseits an der Zunahme von Covid-Patientinnen und -Patienten und andererseits an Krankenständen – ebenso mehrheitlich durch Corona-Infektionen: "Wir haben massive Personalausfälle und müssen uns täglich nach den aktuellen Ressourcen richten."

Langfristige Planung kaum möglich

In Tirol ist die Situation ähnlich: "Wir planen von einem Tag auf den nächsten, es geht nicht anders", berichtet Schwamberger von Tirol Kliniken. Man verzeichne derzeit doppelt so viele Krankenstände wie gewöhnlich, etwa die Hälfte davon wegen Corona.

Die Akutmedizin muss funktionieren – das tut sie auch weiterhin: "Der Akutbetrieb war und ist zu jeder Zeit vollumfänglich aufrecht", stellt man vonseiten des Wiener Gesundheitsverbundes klar. Auch in der aktuellen und bisher höchsten Welle sei der Intensivbereich stabil: "Zumindest sind Betten verfügbar", sagt Bräutigam und berichtet von Corona-erkrankten Kolleginnen und Kollegen aus dem Intensivteam.

Aus Tirol berichtet man indes von einem "minimalen Reduzieren" der Leistung in den Spitälern: "In den Bereichen, wo gerade viele Leute ausfallen, werden tageweise Betten oder ganze Stationen gesperrt. Das sind aber immer nur sehr kurze Intervalle." Auch Operationen würden in den Tiroler Krankenhäusern zurzeit "minimal" verschoben werden müssen: "Die Personalausfälle haben nicht so eine direkte Auswirkung auf den OP-Betrieb wie etwa fehlende Kapazitäten auf der Intensivstation."

Die verschobenen Operationen seien dadurch andere als noch im Herbst. Schwamberger von Tirol Kliniken erklärt das so: "Operationen werden dann verschoben, wenn sie nicht dringend sind, aber mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einen langen Krankenhausaufenthalt nach sich ziehen würden. Das könnte auf den Normalstationen derzeit zum Problem werden, weil hier aktuell viel Personal fehlt. Ebenso ist es im Moment schwierig, wenn der Patient vor der Operation für ein, zwei Tage ein Normalbett braucht."

Betroffene Operationen nicht fachspezifisch

Welche Operationen genau das sind, die nicht zum geplanten Zeitpunkt stattfinden können oder konnten, kann man laut Wiener Gesundheitsverbund nicht exakt beziffern. Auch Tirol Kliniken kann dazu nur schwer Auskunft geben: "Es lässt sich kaum nach Art, Operation oder Fach unterscheiden. Es kommt immer darauf an, welche Station gerade von Ausfällen betroffen ist. Nicht aufschiebbar sind jedenfalls Operationen, die lebensnotwendig sind, große Schmerzen reduzieren oder entscheidend für einen Behandlungsbeginn sind – wenn also die Operation nur ein Teil einer Gesamtbehandlung ist", betont Schwamberger. Man denke etwa an eine Krebs-Patientin, die operiert werden muss, bestrahlt wird und eine Chemotherapie bekommt.

Im Ordensklinikum Linz ist es ähnlich: "Es kann sein, dass man in einem Fachbereich die nicht akuten Patienten behandeln kann, weil die Mannschaft da ist, und in einem anderen Bereich nicht, weil dort massive Ausfälle sind", berichtet die ärztliche Direktorin Elisabeth Bräutigam. Hinsichtlich der nächsten Tage und Wochen zeigt sie sich besorgt: "Wir kommen uns vor wie in einer Parallelwelt. Draußen werden alle Maßnahmen gelockert und die Pandemie wird für beendet erklärt, und hier drinnen im Krankenhaus ist alles so instabil, wie es noch nie war. Heute läuft unser OP auf 75 Prozent. Wie viele Kollegen bis morgen noch zusätzlich krank werden, kann ich erst morgen sagen." (Magdalena Pötsch, 15.3.2022)