Es sei eine herausfordernde Zeit, denn: "Der Virus breitet sich nach wie vor aus", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Und verkündete dann, dass Geschäfte zusperren müssen, ganze Regionen abgeriegelt werden. Zwei Jahre ist das nun her, Kurz ist nicht mehr im Amt, und der richtige Artikel zum Wort "Virus" hat sich mittlerweile herumgesprochen. Zeit für einen Blick zurück und für einen Blick nach vorn.

Noch ein Lockdown?

Vier Lockdowns und einen Lockdown für Ungeimpfte hat das Land nun hinter sich. Dazu gesellten sich einige nun wohlbekannte Maßnahmen, die einmal mehr, einmal weniger eingesetzt wurden: Masken, Abstand, Sperrstunden, Zugangsbeschränkungen.

Gähnende Leere in der Wiener Innenstadt im ersten Lockdown.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER
Und eine aktuelle Aufnahme vom Graben.
Foto: Robert Newald

Ein Großteil dieser Maßnahmen wurde kürzlich abgeschafft. Kommen sie wieder? Simulationsforscher Niki Popper sagt dazu: Wenn die Politik nun angesichts der steigenden Zahlen wieder "weitgreifende Maßnahmen" verhängen würde, "dann greifen die wohl erst im April, und dann brauchen wir sie nicht mehr". Er sagt aber auch: "Masken und Homeoffice-Optionen würden die Zahlen wohl drücken."

Beides wäre außerdem "ein Angebot an Menschen, die noch unsicher sind". Denn Popper sieht da ein Kommunikationsproblem: Spätestens seit dem Sommer 2021, als Kurz die Pandemie kurzfristig für beendet erklärt hatte, sei "oft nicht klar, was das Ziel ist", sagt er.


Eindrücke vom Michaelerplatz im März 2020.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER
Und im März 2022.
Foto: Robert Newald

So auch jetzt: "Es war klar, dass mit Öffnungen hohe Positivraten länger bleiben werden. Und das wird in Kauf genommen – auch unter dem Aspekt, dass Geimpfte gut gegen schwere Verläufe geschützt sind." Es sei aber nicht klar kommuniziert worden, "dass man jenen Freiheiten zurückgibt, die sich sicher fühlen, und jene unterstützen sollte, die Angst haben".

Kommunikationsprobleme gab es auch, was die Impfpflicht angeht. Die wurde monatelang ausgeschlossen, galt dann, ohne dass gestraft wurde, und wurde nun bis auf unbestimmte Zeit wieder abgeschafft. Parallel dazu wurde auch die Impflotterie wieder abgeblasen.

Halbherzige Impfpflicht

Wobei eine Studie des Ludwig Boltzmann Institute Digital Health and Patient Safety. kürzlich zeigte: Geld stimmt ohnehin kaum jemanden um. In einer Umfrage, die bei über 600 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Sozialbereich durchgeführt wurde, gab von den Ungeimpften keine Einzige an, dass sie sich für 50 Euro impfen lassen würde. 500 Euro würden nur ein Prozent umstimmen.

Ein wenig höher wären die Effekte der Impfpflicht: Sieben Prozent gaben an, diese würde sie dazu bringen, sich impfen zu lassen. Fast ein Fünftel gab an, ein drohender Jobverlust würde sie umstimmen.

Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Drei Viertel der befragten Ungeimpften kann weder die Impfpflicht noch ein Jobverlust überzeugen. Das Fazit des Instituts: Die Impfpflicht sei eine "notwendige Maßnahme", es brauche aber weitere, vertrauensbildende Aktionen.

In drei Monaten wird eine Kommission erneut prüfen, ob die Impfpflicht verfassungskonform ist. Die Kommission sah sie – zumindest für Ungeimpfte – allerdings auch in ihrem jüngsten Bericht als Option.

Der Stephansplatz am ersten Tag des ersten Lockdowns.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER
Der Stephansplatz heute.
Foto: Robert Newald

Ähnlich offen ist die Zukunft der Tests. Rühmte man sich in Österreich einst damit, Europa-Testmeister zu sein, so ist mittlerweile fix: In der jetzigen Form sind sie ab April Geschichte. Damit einhergehen werden wohl Änderungen bei den Quarantäneregeln. Als erster Landeshauptmann sprach sich nun der Oberösterreicher Thomas Stelzer (ÖVP) dafür aus, die abzuschaffen. Und: Lifebrain, das Labor, das die Wiener Gurgeltests abwickelt, meldete 1200 Leute zur Kündigung an.

Köpferollen in der Politik

Apropos Jobwechsel: Auch die vielen Rücktritte in der heimischen Spitzenpolitik seien an dieser Stelle kurz zusammengefasst. Karl Nehammer (ÖVP), der vor zwei Jahren noch als Innenminister an der Seite von Kurz stand, ist heute Kanzler, der dritte seit Beginn der Pandemie. Statt Rudolf Anschober (Grüne) kamen erst Wolfgang Mückstein und zuletzt Johannes Rauch als Gesundheitsminister. Der sagte kürzlich dem STANDARD, das Allerwichtigste sei nun, dass Maßnahmen für die Menschen wieder nachvollziehbar werden. Einen Lockdown schloss er allerdings auch nicht aus. (Gabriele Scherndl, 15.3.2022)