Nennen wir ihn Ishmael. Nach dem Matrosen aus Moby Dick. Ishmael, der kleine Neonfisch schaut einen irgendwie lieb an. Friedlich schwimmt Ishmael mal hierhin, mal dahin. Er tut, was Fische in Aquarien halt so tun. Übt sich im Müßig-Schwumm. Seine kleinen Flossen tragen ihn vorbei an wiegenden grünen Büscheln, an farnartigen Wasserpflanzen, Steinen und Wurzelwerk. Seine Playlist spielt Plätschern. Ansonsten steht bei Ishmael, sehen wir von den Mahlzeiten ab, nicht viel auf dem Stundenplan. Seine Sippschaft stammt ursprünglich aus dem Amazonas. Er selbst erblickte das Licht der Aquarienwelt in einer Fischzucht in Bayern, also weit weg vom großen, geheimnisvollen Strom. Sein Körper leuchtet trotzdem rötlich-stahlblau. Angeblich verwirrt dieser Teint Angreifer in natürlicher Umgebung.

Ishmaels Umgebung heißt Himmelpfortgasse. Das Aquarium im Geschäftslokal von "Rent a fish" teilt er sich mit gut 20 anderen seiner Art. Weiters mit einer knopfartigen Schnecke, die an der Scheibe pickt, einer emsig über den Sandboden krabbelnden Garnele und einem Putzerfisch, genauer gesagt, einem Otocinclus. Totenschädel aus Plastik und Modelle von gesunkenen Piratenschiffen sucht man vergebens. Ishmael dürfte es einerlei sein.

Philip Innerhofer bietet Aquarien zum Mieten an.
Foto: Heribert Corn/www.corn.at

"Schnecke, Garnele und Otocinclus gehören zum Putzpersonal", weiß der Chef des Ein-Mann-Betriebs. Der aus Südtirol stammende Philip Innerhofer nennt seine mietbaren Aquarien "lebendige Bilder", auch "schwimmende Gärten fürs Wohnzimmer". "Aquascaping" lautet das Zauberwort und meint die Innenraumgestaltung der gläsernen Quader.

Die Räumlichkeiten des Fischverleihs sind weniger aufwändig designt. Das Geschäft steckt eingezwickt zwischen einem Fotostudio und einem Beauty-Spa. Ein paar Schritte weiter liegt das Winterpalais des Prinzen Eugen, auch das Ronacher ist nur wenige Meter entfernt.

Im vorderen Bereich des Geschäfts befinden sich ein leeres Aquarium, ein befülltes, aber einwohnerloses und auch das voluminöse Zuhause von Ishmael, das in eine massive Trennwand eingelassen ist. Ansonsten wirkt der 30 Quadratmeter große Schauraum mit gekacheltem Boden frisch gestrichen und eher steril. Wären da nicht die tiefseeblaue Ledergarnitur, Stil Shabby Chic, und zwei Ölbilder an der Wand. Eines zeigt einen Schwarm gelber Fische, das andere bunte abstrakte Flecken, die an eine reich garnierte, eckige Eierspeis denken lassen.

Streithansel und Flusskrebs

Gemütlich ist anders, aber hier sind die Fische und ihre Unterwasserwelten die Stars. Im hinteren Teil des Geschäfts, einer Art Lager, entdeckt der Besucher neben Werkzeug, Regalen und Leitern allerlei Kabel, die aus der Wand sprießen, und kleinere Aquarien. Hier, ohne Aussicht auf den ersten Bezirk, schwimmen Guppys, Mollys, Fische mit Bart, solche ohne, fast durchsichtige Exemplare und auch lebendgebärende Platys. Unter einem Stein hat sich ein Flusskrebs verschanzt, ein Stockwerk, Pardon, Aquarium höher präsentiert sich gleich einem Fisch-Gockel ein Siamesischer Kampffisch. Doch Ishmael und seine Artgenossen können ruhig Blut bewahren, denn, so weiß Innerhofer, der siamesische Streithansel legt sich nur mit größeren Kalibern an. Diese allerdings bekämpft er gnadenlos bis zum bitteren Ende. Deshalb schwimmt er mit den kleinen Neonfischen im besten Einvernehmen, erklärt der Chef.

Foto: Heribert Corn/www.corn.at

Auf die Frage, ob Fische dumm seien, ist ein ausdrückliches "Keineswegs" von Innerhofer zu vernehmen. Zur Beweisführung holt er eine Dose mit Fischfutter hervor und lässt ein paar Brösel über Ishmael und Konsorten rieseln. Alles bleibt im gewohnten Schwumm. "Wahrscheinlich sind sie schon satt", quittiert der Aquarienvermieter das gescheiterte Experiment. Macht ja nichts. Die Fischleins sind ohnehin als meditativer Fernsehersatz gedacht.

Oft ist Innerhofer, der eine Lehre als Verkäufer in einer Tierhandlung in Meran absolvierte, an diesem Ort nicht anzutreffen, da er 90 Prozent seiner Arbeitszeit im Außendienst verbringt. Circa 30 Kunden zählt der Fischfreak mittlerweile. Aufgesperrt hat er das Geschäft im Mai vergangenen Jahres. Zur Kundschaft gehören 30 Prozent private Haushalte, ansonsten beauftragen ihn vor allem Kanzleien oder medizinischen Praxen. "Eines meiner Aquarien steht im Wartezimmer eines Kinderzahnarztes. Die Fische nehmen so manch kleiner Patientin oder Patienten ein Stück ihrer Angst. Meine Aquarien landen bei Firmen, die über einen Warteraum verfügen, aber keine Zeit haben, sich um ein Aquarium zu kümmern. Geschweige denn über das nötige Wissen verfügen." Diese Tatsache war auch die Initialzündung für Innerhofers Geschäftsidee. So innovativ diese klingen mag, ganz allein ist er mit ihr nicht, aus dem Netz fischt man auch Kontakte wie livecube.at oder aquarium-mieten.at.

Einfahrphase

Bei seinem Business legt der 33-Jährige großen Wert darauf, dass nur Süßwasserfische aus Zucht über seine Türschwelle kommen. Salzwasser sei viel komplizierter, und alles, was er von seiner Kundschaft möchte, sei, dass diese "staunt und sich am Anblick erfreut".

Deshalb übernimmt Innerhofer, der sich schon als Kind für Aquaristik begeisterte, einfach alles, was Kunden- und Fischherz begehrt. "Das Wohl der Tiere steht bei mir ganz oben", sagt er nicht ohne Vehemenz. Der Fachmann stellt das Aquarium zu und befüllt es mit Wasser. Nach einer sogenannten Einfahrphase, in der sich notwendige Bakterien im Filter bilden, wird eine Wasseranalyse durchgeführt. Ist alles tipptopp, darf das besagte Putzpersonal, also Garnele, Schnecke und Co einziehen. Zwei Wochen später übersiedeln die Hauptmieter. Innerhofer schaut mindestens einmal pro Monat vorbei, eine Futteranlage, die Lichtgebung und die CO2-Anlage funktionieren automatisch. Wasser wird bei jedem Service gewechselt. Die Kundschaft muss sich um nichts kümmern. Gar nichts.

Foto: Heribert Corn/www.corn.at

Nasser Palast

Sollte ein Fisch eines Tages über den Aquariums-Jordan schwimmen, kümmert sich Innerhofer auch um dessen Entsorgung. Aber von toten Fischen will er nichts hören und auch nichts lesen. Er möchte lieber, man erinnere sich, dass gestaunt wird. Also will er über den Verbleib sterblicher Überreste lieber schweigen. Es ist aber davon auszugehen, dass es zu keiner Feuerbestattung mit anschließender Einsegnung kommt. Bei aller Liebe zum Fisch. Abgesehen davon, erzählt der Südtiroler, könne so ein Neonfisch gut und gerne ein Lebensalter von zehn Jahren erreichen. Bei guter Haltung freilich. Und überhaupt, auch Hamster, Katzen, Nymphensittiche, sogar Schildkröten segnen irgendwann das Zeitliche.

Und was kostet der nasse Spaß? Nehmen wir das Zuhause von Ishmael, ein wahrer Palast mit seinen zwei Metern Länge, 60 Zentimetern Höhe und gut 700 Litern Wasser. Daumen mal Pi 200 Euro berappt man für ein solches Zuhause pro Monat, inklusive Service. Das kleinste Fischzuhause misst 40 mal 40 Zentimeter und schluckt 60 Liter Wasser, dafür flattert eine Rechnung von 89 Euro ins Haus. Bindungsfrist gibts keine.

Privat nennt Innerhofer derzeit kein Aquarium sein Eigen. Mit jenen seiner Kunden habe er genug Fische um die Ohren, erklärt er, während es im Hintergrund sanft plätschert. Ishmael dreht weit weg von hungrigen Piranhas eine weitere Runde mit Blick auf das vegetarische Gourmet-Restaurant Tian gegenüber dem Geschäft. Auch von dem dürfte, wie vom Aggro-Siamesen, keine Gefahr drohen. (Michael Hausenblas, 14.3.2022)