Marktmacht oder die Nervosität von Händlern, weil zu wenig Öl nach Europa kommt: Was treibt die Preise?

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Für viele Autofahrer ist der Blick auf die Tankstellenpreise zu einem makaberen Unterhaltungsprogramm geworden. Wie sehr geht es bei Benzin und Diesel noch nach oben? In den vergangenen Tagen haben die Preise in Österreich angezogen. Während in Wien am Wochenende Benzin und Diesel für knapp unter zwei Euro zu bekommen waren, sind es weiter im Westen oder auf Autobahntankstellen schon deutlich über zwei Euro.

Aber wie viel haben die Preise an der Zapfsäule mit der Entwicklung an den Ölmärkten zu tun? Da tut sich eine Kluft auf. Wie der Autofahrerklub ÖAMTC vorrechnet, sind die Nettopreise für Superbenzin seit Jahresbeginn an Tankstellen um etwa 70 Prozent gestiegen. Der ÖAMTC führt dazu eigene Erhebungen bei ausgewählten Anbietern durch. Bei Diesel war der Anstieg noch deutlicher, hier ging es um 80 Prozent nach oben. Zum Vergleich: Der Rohölpreis für die in Europa dominante Sorte Brent hat sich je Fass seit Jahresbeginn um 48 Prozent verteuert. Die Preise sind in Euro gerechnet, weshalb der Schwankungen beim Wechselkurs – der Dollar ist zuletzt stärker geworden – hier keine Rolle spielen.

Was erklärt die Diskrepanz zwischen Marktpreis und Verbraucherpreis? Dafür gibt es zwei Erklärungen. Eine dreht sich um die Marktmacht einiger großer Spritanbieter und um fehlenden Wettbewerb.

Beim Treibstoffmarkt handelt es sich um "ein Oligopol mit ein paar wenigen großen Anbietern" wie OMV, Shell und BP, sagt Michael Böheim, der beim Forschungsinstitut Wifo zu Wettbewerbsfragen forscht. Diese großen Player werden konkurrenziert durch einige Diskonttankstellen wie Jet und Avanti, Letztere selbst im Eigentum der OMV. Dazu kommen noch regional tätige Diskonttankstellen. Beim Preissetzungsverhalten seien sogenannte Preistrichter zu beobachten. Großanbieter in einer Region setzen einen Referenzpreis für Benzin und Diesel. Die Diskonter im regionalen Einzugsbereich legen dann ihren Preis geringfügig darunter fest.

So ergeben sich österreichweit beachtliche Preisunterschiede von aktuell 15 Cent oder mehr von West nach Ost, wobei Sprit im Osten immer schon tendenziell billiger wird.

Große Unterschiede

In grenznahen Regionen, in die Kunden aus Deutschland oder Italien, wo das Tanken noch teurer ist, hinkommen, werden Preise tendenziell höher. So ergeben sich auch in einzelnen Bundesländern ansehnliche Unterschiede. Diese Differenzen für das an sich gleiche Produkt seien ein Hinweis für Wettbewerbsprobleme, sagt Ökonom Böheim. Machen also die Mineralölkonzerne einen "windfall profit", also vorübergehend einen sehr hohen Gewinn aufgrund einer plötzlich besonderen Marktlage? In diesem Fall ist das natürlich der Krieg in der Ukraine. Das wäre nichts Außergewöhnliches, so der Wifo-Experte. Sollte das der Fall sein, würden die Preise im Zuge einer Korrektur bald wieder nachgeben.

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, rät der Politik dazu, die Preisentwicklung am Markt noch zu beobachten, ehe sie zu Entlastungsmaßnahmen schreitet. Auch um zu sehen, ob Preissenkungen von den Mineralölkonzernen an die Kunden weitergegeben werden: Zuletzt ist der Rohölpreis (Brent) wieder deutlich gefallen, auf unter 110 Dollar je Fass, nachdem er vorher bei über 130 gewesen ist. Ein staatlicher Zuschuss zum Tanken dürfe nicht von den Minerölkonzernen genutzt werden, um Konsumenten an dauerhaft höhere Spritpreise zu gewöhnen.

Die letzte Untersuchung des Benzinmarktes durch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) ist schon zehn Jahre her, auch beim Energiegipfel am Wochenende war die BWB nicht eingeladen.

Die andere Seite

Doch es gibt auch Experten, die bezweifeln, dass die Preisentwicklung etwas mit Marktmacht zu tun hat. Johannes Benigni Analyst bei JBC Energy sagt, dass Europa aktuell schlicht Rohöl fehle. 15 Millionen Fass Rohöl pro Tag brauche Europa, 1,5 Millionen sind derzeit schwer zu bekommen. Der Grund: Händler sind zurückhaltend und kaufen weniger aus Russland zu. Das hat mit Sanktionsdrohungen des Westens zu tun und mit der Verunsicherung vieler Händler, ob mit Russland hier überhaupt noch Geschäfte zu machen sind.

Diese Knappheit sorge für Nervosität, für erste Lieferengpässe und damit für höhere Preise. Es komme bei Ölverkäufen zu höheren Aufschlägen als üblich. Der Marktpreis für Rohöl bilde das vollständig gar nicht ab, weil darin bestimmte Komponenten, eben etwa für Transport oder Versicherung der Lieferung, gar nicht enthalten sei. (András Szigetvari, 15.3.2022)