Ein schönes Zimmer, ein langer Tisch, ein uraltes Running-Sushi-Band – und Gastgeber, die kochen und unterhalten können.

Foto: Matthias Zykan

"Unseren venezianischen Palazzo" nennt Florian "Doc" Kaps das kryptofeudale Zinshaus "Dogenhof" an der Praterstraße. Auf Straßenniveau ist sein "Supersense" als letzter, poetischer Zufluchtsort des Analogen (Vinylplattenpresse, Polaroid-Fotostudio, Bleisatzdruck ...) zu Hause, und sein dauernd ausgebuchtes Feuerküchenrestaurant Dogenhof. Im ersten Stock konnte Kaps, der dieser Tage auch als Hauptfigur eines international produzierten Doku-Dramas im Kino ist (An Impossible Project), eine Wohnung dazumieten – als "Brückenkopf für die Totalübernahme", wie er ohne einen Funken Ernst ankündigt.

Da gibt es einen sehr charmanten Salon, mit einem Regal voller Wunderdinge zum Entdecken und Staunen, dazu ein langgestrecktes Speisezimmer mit zwei venezianisch geschwungenen Fenstern zur Praterstraße. Eine lange Tafel steht da, zusammengebaut aus alten Schultischen mit Resopalplatten, mit roten Loos-Thonets und, als zentralem Tafelaufsatz, einem alten Sushi-Förderband.

Der "Supper Club" wurde nötig, weil gutes Essen und Trinken für Kaps seit immer Ausgangspunkte eines lohnenden Abends sind, von dem aus man sich aufschwingt zu den Träumen "von Dingen die wir lieben und die riechen wie Magie". So oder ähnlich grandios steht es jedenfalls auf der Website. Ein solcher Traum waren wohl diese Abende mit je 18 Teilnehmenden, mit einer endlos vorbeidefilierenden Prozession kleiner und großer, flüssiger und fester Köstlichkeiten.

Wurstknödel

Matthias Zykan, supersensitiver Koch der ersten Stunde, ist mit im Bunde, und sein Freund Andi Traunwieser, der aber nach dem heimatlichen Bauernhof gerufen wird: Auböck. Der Mann hat nach abgeschlossenem Studium im Steirereck mit dem Kochen begonnen und war seitdem an wechselnden Adressen, immer an guten. Der Hof im Hausruck soll im Zentrum seiner Supper-Club-Abende stehen, die unmittelbare Umgebung des Dogenhofs – also seine Heimat – dürfe, so Auböck, aber auch nicht vergessen werden. So ein Abend im Club könne ja eine Brücke schlagen zwischen den Zeiten und den Orten.

Am ersten Abend war die Stadt mit Crudo vom Saibling der vis-à-vis gelegenen Fischerie und geröstetem Mais vom Türken vertreten (wilder Kontrast zwischen vornehm wächsernem Fisch, zartem Dressing und krachendem Knusper), vor allem aber mit "Resteknödeln" nach dem Rezept von Andis Mutter, für die Wurstrestln vom nahen Billa am Praterstern geholt und zu einem Gericht von aberwitziger Köstlichkeit geformt wurden.

Die wilde Frische des Sauerkrauts vom familieneigenen Hof bildete den Sockel, von dem aus diese Mehlknödel gewordene Ode an die Wurst abheben durfte: so zart, so fein, so durchdrungen von Finesse und Wohlgeruch. Muss man gekostet haben, ist, der Fülleherkunft zum Trotz, Wurstknödel von einer anderen Welt.

Lebensretter

Ramen, ein zart gewebtes Kompendium vom Typus Lebensretter
Foto: Majken Corti

Auch sonst ist das Essen ein Erlebnis: Käse aus der Milch der einen Ziege von der Tante, ganz herausragendes selbstgebackenes Brot, hauseigener Most und Eier von den Hofhendln. Letztere kommen in den Ramen, ein zart gewebtes Kompendium vom Typus Lebensretter, das seine Kraft auch aus Salzzitrone und Kräutern, marinierter Zwiebel und vielem mehr schöpft.

Damit es nicht zu elegant wird, gibt es dazu ein Stückl Backhendl vom Schenkel, das so ziemlich alles in sich vereint, was Backhendl unsterblich macht. Ein Klacks Mochi-Mayo ist aber auch mit auf dem Teller, die hat Kaps bei einem Event am anderen Ende der Straße mitgehen lassen, wär’ ja schade drum. Dazu kreisen vorzugsweise Magnums befreundeter Winzer auf dem Bandl, und zwar ganz sicher keine schlechten. (Severin Corti, RONDO, 18.3.2022)

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