Gegen die Gleichberechtigungsbremse aufgrund der Pandemie können sich Frauen nicht impfen.

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Zwei Jahre nach dem ersten Lockdown lockt die "Nachricht", dass die Pandemie die Fortschritte bei der Gleichberechtigung bremst, keine:n mehr hinter dem Ofen hervor. Die kurz- und langfristigen Folgen betreffen Frauen besonders? Wissen wir längst! Es ist auch vielfach mit Studien belegt, und Frauen wissen es schlicht aufgrund ihrer eigenen Erfahrung. Sie wissen etwa von der Belastung, wenn kurzfristig Kindergärten wegen der derzeitigen durch Omikron bedingten Ausfälle von Elemantarpädagog:innen und Assistent:innen plötzlich deutlich kürzere Öffnungszeiten haben. Oder – von früheren Zeiten in der Pandemie – wenn Schulen und Kindergärten ganz geschlossen bleiben und Homeschooling für Kinder und meistens somit auch für die Mütter ansteht.

Ungeliebte Hausarbeit

Laut einer Studie der Uni Wien in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Sora verbrachten 63 Prozent der Mütter mit Vollzeitjob mehr Zeit mit Kinderbetreuung, aber nur halb so viele Väter. 47 Prozent der Frauen, aber nur neun Prozent der Männer wandten Zeit für Homeschooling auf. Laut Umfragedaten des Austrian Corona Panel Project der Uni Wien verbrachten in den verschiedenen Corona-Phasen Frauen sieben Stunden mit Kinderbetreuung und Väter nur drei Stunden.

Die Zeit ist begrenzt

Das bringt uns zu den langfristigen Folgen: weniger Lohnarbeit für Frauen. Denn der Tag hat nur 24 Stunden, die Woche nur sieben Tage. No na? Nun, wenn es um die noch immer an Frauen herangetragene Vereinbarkeit von Job, Kinderbetreuung und Sorgearbeit für die eigenen Eltern (oder Schwiegereltern) geht, ist das alles andere als selbstverständlich. Denn die Anforderungen gehen weit darüber hinaus. Deshalb haben laut Arbeiterkammer-Expertinnen Frauen ihre Lohnarbeitszeit während der Pandemie reduziert. Die Lohnschere wird seit der Pandemie zwar etwas kleiner, das könnte aber daran liegen, dass für den Pay-Gap meist die Vollzeiteinkommen verglichen werden. Wir wissen noch nichts darüber, wie viel teilzeitbeschäftigte Frauen Stunden reduziert haben und wie sich die Kurzarbeit auf ihre Einkommen auswirkt.

Auch die indirekten und somit schwer messbaren Folgen werden sich niederschlagen. Denn jene Beschäftigten, die nicht spontan Mehrarbeit leisten können, die öfter wegen Betreuungspflichten ausfallen und die neben ihrer vereinbarten Arbeitszeit nicht laufend auf allen Kanälen verfügbar sind, haben ein schlechteres Standing. Und von der anderen Seite betrachtet: Frauen stresst es oft ungemein, für den Job nicht so zur Verfügung stehen zu können, wie sie meinen, dass es verlangt wird, und haben deshalb Sorge, dass ihnen das Nachteile bringt. Eine berechtigte Sorge.

Landleben

Und dann hätten wir noch die Hürden auf dem Land: Der Gleichstellungsindex des Österreichischen Städtebundes zeigte, dass österreichweit nur 36 Prozent der Kinderbetreuungseinrichtungen mit einer Vollzeitbeschäftigung kompatibel sind – die Betreuungslücken klaffen vor allem in kleineren Gemeinden. In ländlichen Regionen haben vier von zehn Gemeinden kein Kinderbetreuungsangebot für Null- bis Dreijährige. Wer also keinen Partner hat, der willens ist, die Sorge- und Lohnarbeit fair zu teilen, hat ein Problem. Wenn es schulterzuckend heißt: "Ich geh arbeiten – ich verdien halt besser", dann rollt die finanzielle Abhängigkeit schon auf sie zu.

Es stimmt ja in vielen Fällen auch. Er verdient besser. Auch diese Fehlkonstruktion hat uns die Pandemie so deutlich aufgezeigt, dass es nun wirklich allen auffallen müsste. Nehmen wir nur die "Frauenbranche" Pflege. Nicht so wichtig? Die Pandemie hat gerade das Gegenteil bewiesen, trotzdem: Geändert hat sich an den Löhnen in diesem Bereich bisher nichts.

All das hier aufgezählte trifft Alleinerziehende noch einmal härter, und all das wird auch die eben geflüchteten Ukrainer:innen treffen, die ohne ihre Partner, ohne andere erwachsene Familienmitglieder mit ihren Kindern flüchten mussten. Sie brauchen eine Infrastruktur, in der sie unabhängig leben können.

Eine Ende des "Trotz allem"

Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) hat vor kurzem den neuen "Frauenfonds" präsentiert, der unter anderem durch Role-Models Frauen Mut machen soll, etwa mit der Snowboarderin Manuela Mandl oder MAK-Direktorin Lilli Hollein. Sie sollen positive Vorbilder sein. Das ist nett. Aber angesichts der Pandemiefolgen für die Gleichstellung ist es wirklich nicht das, was wir brauchen. Vorbilder haben oft den Beigeschmack des "Diese Frauen haben es trotz allem geschafft". Die Aufgabe einer Frauenpolitikerin ist aber, dieses "Trotz allem" zu beseitigen – und nicht abzufeiern, wenn Frauen Hürden genommen haben, die für Männer nicht existieren.

All die aufgezählten Probleme liegen seit Jahrzehnten auf dem Tisch. Hätte man die Frauenpolitik in den vergangenen Jahren und auch Jahrzehnten ernster genommen, dann hätten es unzählige Menschen jetzt zumindest etwas leichter, dann wären die vielen aktuellen zusätzlichen Lasten besser verteilt. Dass das aber nicht einmal annähernd greifbar ist, ist angesichts der immer weiter steigenden Infektionszahlen bedrohlich. Wenn wir heute, nach zwei Jahren Pandemie, noch immer nicht verstanden haben, wie viel Luft nach oben es noch für Fairness zwischen den Geschlechtern in Österreich gibt, wann dann? (Beate Hausbichler, 17.3.2022)