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19 Kinder werden in diesem Keller in der Nähe von Kiew betreut. Sie konnten noch nicht abgeholt werden.

Foto: AP / Rodrigo Abd

Eine Schwangerschaft macht eine Flucht noch schwieriger, vor allem, wenn der Geburtstermin unmittelbar bevorsteht. Für Ukrainerinnen, die derzeit als Leihmutter fungieren und nun durch den Angriffskrieg durch Russland bedroht sind, kommen noch zahlreiche andere Schwierigkeiten hinzu. So können sie etwa nicht ohne weiteres in ein Nachbarland flüchten, wo Leihmutterschaft verboten ist: Wenn sie dort das Baby bekommen, sind sie rechtlich gesehen die Mutter des Babys – obwohl sie es biologisch und aufgrund eines Vertrags mit einer Agentur für Leihmutterschaft nicht sind.

In der Ukraine ist kommerzielle Leihmutterschaft seit 2004 legal, Paare können entweder nur mit einer Samenspende oder mit einer Samen- und einer Eizellenspende Frauen über Agenturen beauftragen, ein Kind für sie auszutragen. Hinter tausenden Schwangerschaften jährlich in der Ukraine stehen somit Leihmutterschaften. Diese sind teils zwar auch in anderen Ländern erlaubt, aber entweder nicht zu kommerziellen Zwecken oder wie etwa in Indien nur für heterosexuelle und inländische Paare. Oder aber sie kosten deutlich mehr als in der Ukraine, wo eine Leihmutterschaft zwischen 40.000 und 65.000 Euro kostet.

Theoretisch verboten

Die sogenannten Wunscheltern kommen zu 90 Prozent aus dem Ausland, vorwiegend aus der EU, aus den USA und China. Jene, die in den vergangenen Monaten eine Leihmutterschaft in der Ukraine in Auftrag gegeben haben, wissen nun nicht, ob, wie und wann sie die kürzlich geborenen Kinder abholen können, wo die noch schwangeren Leihmütter nun sind und wie es ihnen geht. Wie viele österreichische Paare derzeit keinen oder einen sehr erschwerten Zugang zu den Babys haben, ist aufgrund des gesetzlichen Verbots in Österreich unbekannt. Dieses Verbot kann aber nicht verhindern, dass Menschen in Österreich Leihmutterschaft beanspruchen. Kund:innen wenden sich direkt an Reproduktionskliniken und Leihmütteragenturen im Ausland, um ein Kind austragen zu lassen. Wenn Leihmutterschaft im Ausland beansprucht wird, kann man nicht dafür belangt werden. Nach österreichischem Recht ist aber immer diejenige Frau die Mutter eines Kindes, die das Kind geboren hat – und nicht die Bestellerin der Leihmutterschaft. Nach ukrainischem Recht können die Auftraggeber:innen der Leihmutterschaft in der Geburtsurkunde als Eltern eingetragen werden – damit kann auch das Kind die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen und so das Verbot umgangen werden.

Biotexcom gehört zu einer der größten Vermittlungsagenturen für Leihmutterschaft in der Ukraine. Auf der Website der Agentur ist derzeit ein Video zu sehen, in dem bewaffnete Männer mit einem Kleinbus Babys aus Geburtskliniken abholen und an einen sicheren Ort bringen, wo sich Frauen um die Babys kümmern. Das Video soll zeigen, dass die Arbeit auch unter den Bedingungen des Krieges weitergeht. Man wendet sich auf der Website auch direkt an die Kundschaft. Man solle "nicht in Panik geraten", "wir erinnern Sie daran, dass Ihr Leben und das Ihres Kindes davon abhängt". Außerdem sollten die Eltern die jeweilige Botschaft über ihren genauen Aufenthaltsort in der Ukraine informieren und versuchen, Notfalldokumente zu bekommen. Vor Kriegsbeginn dauerte die Bürokratie etwa vier Wochen, bevor sie mit dem Kind das Land verlassen konnten. Jetzt sind Amtsgänge jedoch kaum möglich. Schon 2020 konnten wegen der Pandemie viele Kund:innen der rund 50 Kliniken in der Ukraine, die kommerzielle Leihmutterschaft anbieten, die Babys nicht abholen. Auch für sie galten die Einreiseverbote, und die Agenturen mussten sich somit deutlich länger als im Normalfall um die Kinder kümmern.

Zurück zur Geburt

Kaum Informationen gibt es auf der Website hingegen darüber, wie es den schwangeren Frauen oder jenen im Wochenbett geht, eine Anfrage bei Biotexcom blieb unbeantwortet*. Dabei sind die Leihmütter durch ihre eingeschränkte Mobilität nun sehr gefährdet. In einem Interview mit dem "Spiegel" sagte die Repräsentantin der deutschen Abteilung von Biotexcom, Maria Holumbowska, dass nach Polen geflüchtete Leihmütter in einem früheren Stadium der Schwangerschaft zugesichert haben, rechtzeitig zur Geburt zurück in die Ukraine zu kommen.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat kürzlich die Evakuierung von Babys ukrainischer Leihmütter gefordert, die von den ausländischen Paaren nicht abgeholt werden. Sie warnte auch davor, dass sowohl Kinder von Leihmüttern als auch Waisenkinder verschleppt oder Opfer von Zwangsadoptionen werden können, sagte Johansson. "Es besteht das große Risiko, dass mit solchen gefährdeten Kindern Handel getrieben wird."

Plattformen wie "Stopp Leihmutterschaft" fordern seit langem ein weltweites Verbot von Leihmutterschaft, die "körperliche und seelische Ausbeutung" bedeute. Leihmütter würden in schwierige Konflikte gebracht werden und erste Bindungserfahrungen für das Kind würden verhindert werden. (beaha, 23.3.2022)