Dieter Bornemann, Vorsitzender des ORF-Redakteursrats.

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Wien – In den nächsten Tagen und Wochen werden ORF-Stiftungsrat und -Publikumsrat nach einem ORF-Gesetz neu bestellt, "das wohl der Verfassung widerspricht". Zu diesem Schluss kommt der ORF-Redakteursrat am Dienstag in einer Aussendung. Die ORF-Journalistinnen und -Journalisten fordern daher "eine rasche Überarbeitung und Modernisierung des ORF-Gesetzes". Damit solle ein verfassungsmäßiger Zustand hergestellt werden, der die Unabhängigkeit der Personen und Organe gewährleistet.

Von allen Verantwortlichen im Bestellungsprozess wird gefordert, "nicht nach parteipolitischen Kriterien zu entscheiden, sondern ausschließlich nach fachlichen Kriterien". Der Stiftungsrat solle aus "ausgewiesenen Expertinnen und Experten bestehen statt aus Personen, die in einem direkten Naheverhältnis zu ihren parteipolitischen Entsendern stehen".

Öffentliches Hearing

Konkret notwendig sei "ein transparenter Bestellungsvorgang der Mitglieder des Stiftungsrats – mit der Möglichkeit, sich zu bewerben, und verbunden mit einem öffentlichen Hearing". Gefordert wird auch ein Auflösen der politischen Fraktionen, die der gesetzlichen Unabhängigkeit des ORF widersprechen würden. Der Stiftungsrat solle ein Aufsichtsorgan sein, das "das Unternehmen im Sinne des Publikums kontrolliert, und nicht ein verlängerter Arm der Parteien und Regierung".

Es dürfe bei der Auswahl der Mitglieder nicht um eine "parteipolitische 'Zuverlässigkeit'" gehen, sondern um "echtes Interesse am öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seiner Weiterentwicklung sowie um Kompetenz und das notwendige Fachwissen in Medien- und Wirtschaftsfragen". An der Spitze des Stiftungsrats solle eine fachlich unbestrittene Expertin oder ein Experte stehen, "ohne politische Schlagseite und mit einem hohen Maß an Expertise in Medienfragen". Außerdem gefordert wird eine Vertretung des Redakteursrats im Stiftungsrat. Für konkrete Vorschläge zur Novellierung des ORF-Gesetzes stehe die Redakteursvertretung zur Verfügung.

"Offenkundig verfassungswidrig"

Zuletzt hatte sich "ZiB 2"-Anchor Armin Wolf über einen "offenkundig verfassungswidrig" besetzten ORF-Stiftungsrat zu Wort gemeldet. Wie Wolf bezieht sich auch der ORF-Redakteursrat in seiner Argumentation auf einen Befund von Christoph Grabenwarter, seines Zeichens Präsident des Verfassungsgerichtshofs und einer der renommiertesten Rundfunkrechtler des Landes. Außerdem führt der Redakteursrat Äußerungen des Verfassungsexperten Heinz Mayer im STANDARD an, in denen er von einer klaren "Verletzung des Bundesverfassungsgesetzes über die Unabhängigkeit des Rundfunks" spricht.

Zitiert werden auch der ehemalige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der bestätigte, dass es unter der ÖVP-FPÖ-Regierung mit Stiftungsräten zu Postenabsprachen gekommen ist, und der Rundfunkjurist Hans Peter Lehofer, der ebenfalls zu dem Schluss kam, dass zumindest 30 Stiftungsratsmitglieder entweder "staatsnah" oder "nicht hinreichend staatsfern" bestellt werden. (red, 15.3.2022)