Eine Entscheidung könnte bereits kommende Woche ergehen.

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Als Ende Jänner ein Schreiben des Verfassungsgerichtshofs an das Gesundheitsministerium öffentlich wurde, fühlte sich so mancher Maßnahmengegner bestätigt. "Da werden BK Nehammer und Minister Mückstein ganz schön ins Schleudern kommen", hieß es etwa in einer Gruppe von Corona-Skeptikerinnen auf Facebook. Jetzt gehe es "endlich um die Beweisführung seitens der Regierung".

Das Schreiben stammte aus einem Verfahren rund um die Zulässigkeit der 2G-Regel und des Lockdowns für Ungeimpfte. Verfassungsrichter Andreas Hauer hatte sich mit mehreren Fragen an das Gesundheitsministerium gewandt – was in derartigen Verfahren durchaus üblich ist. In seiner Tonart ließ der Verfassungsrichter aber eine zumindest kritische Haltung gegenüber den geprüften Maßnahmen durchblicken.

Am Dienstag hat der Verfassungsgerichtshof nun öffentlich über mehrere Anträge gegen die 2G-Regel und den Lockdown für Ungeimpfte verhandelt. Jener Antrag, auf den sich Hauer in seinem Schreiben bezog, ist zwar nicht darunter, inhaltlich ging es aber um sehr ähnliche Fragen. Eine Entscheidung könnte theoretisch schon kommende Woche fallen.

"Monatelang eingesperrt"

In der Verhandlung hatten sowohl das Gesundheitsministerium als auch die Antragstellerinnen und Antragsteller die Möglichkeit, ihre Argumente öffentlich vorzutragen. Unter ihnen etwa Rechtsanwalt Stefan Gulner, der eine 30-jährige Mitarbeiterin seiner Kanzlei vertritt. Sie sei "monatelang eingesperrt" gewesen und habe ihr Zuhause nur für die Arbeit verlassen können. Menschen, die vom langen Lockdown für Ungeimpfte betroffen gewesen seien, leiden zum Teil noch immer unter körperlichen und psychischen Problemen, sagt Gulner.

Ähnliche argumentierte Anwältin Astrid Nagel. Ihrer Mandantin sei bewusst, wie gefährlich Corona sein könne. Sie sei selbst daran erkrankt und leide nach wie vor an Langzeitfolgen. Da sie sich nach ihrer Erkrankung aber nicht impfen lassen wollte, sei sie vom "gesellschaftlichen Leben völlig abgeschnitten" gewesen – obwohl sie Antikörper entwickelt habe, die sie vor einer weiteren Erkrankung schützen.

"Nicht das gelindeste Mittel"

Rechtlich argumentierten die Antragstellerinnen und Antragsteller vor allem damit, dass der Lockdown für Ungeimpfte nicht geeignet gewesen sei, eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Denn auch Geimpfte hätten zum Infektionsgeschehen beigetragen.

Die Gefahr, die von ungeimpften Personen ausgehe, die sich regelmäßig testen, sei sogar niedriger, argumentierte Rechtsanwaltsanwärter Martin Cvikl. Eine Testpflicht – etwa in Kombination mit einer Maskenpflicht – wäre daher das "gelindere Mittel" gewesen. Auch Rechtsanwalt Thomas Marschall argumentierte damit, dass die Impfung die Übertragung des Virus kaum beeinträchtige. Die Varianten schwächen ihre Wirkung nun zusätzlich ab.

Allgemeiner Lockdown als Alternative

Das Gesundheitsministerium, das vor dem Verfassungsgerichtshof unter anderem von Sektionschefin Meinhild Hausreither vertreten wurde, sah das naturgemäß anders. Die Inzidenz, die bei Ungeimpften deutlich höher gewesen sei als bei Geimpften, habe ein "klares Bild" gezeigt. Geimpfte hätten demnach ein geringeres Risiko, sich anzustecken. Im Fall einer Infektion dauere die Erkrankung zudem kürzer.

PCR-Tests als gelindere Mittel seien für das Ministerium daher nicht infrage gekommen. Zwar gehe von jeder Personengruppe – auch von Geimpften – ein Restrisiko aus. Man habe aber versucht, das "Risiko möglichst zu reduzieren". Der deutliche Unterschied im Infektionsrisiko zwischen Geimpften und Ungeimpften habe die unterschiedliche rechtliche Behandlung der Gruppen gerechtfertigt. Die Alternative wäre eine "Lockdown für alle gewesen", betonten die Vertreterinnen des Ministeriums.

Unsicherheit durch Omikron

Im Jänner sei das Gesundheitsministerium vor dem Problem gestanden, dass aufgrund der Omikron-Variante schwer abzuschätzen gewesen sei, wie sich die Lage entwickelt. Deshalb habe man nicht mehr auf den ursprünglichen Stufenplan zurückgegriffen, sondern den Lockdown für Ungeimpfte beibehalten.

Laut Katharina Reich, Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit, habe sich auf den Intensivstationen zwar eine Entlastung gezeigt, die Herausforderungen hätten sich aber in Richtung Normalstationen verschoben. Dazu sei das Problem gekommen, dass aufgrund der hohen Ansteckungszahlen immer mehr Gesundheitspersonal in Quarantäne musste. (Jakob Pflügl, 15.3.2022)