Seit Bruno Kreisky hat niemand so viele Türen für Österreich in der Welt aufgemacht, über partei- und weltanschauliche Grenzen hinweg so viel Anerkennung für seine intellektuelle Ausstrahlung gefunden wie Erhard Busek. Kein österreichischer Politiker hat so viel für die Befreiung Mittel- und Osteuropas und für die Pflege der Kontakte mit den demokratiepolitisch fragilen postkommunistischen Staaten getan wie er.

Erhard Busek – hier auf einem Archivbild mit Paul Lendvai – ist in der Nacht auf Montag verstorben.
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Er drückte Wien als Vizebürgermeister und ÖVP-Obmann einen bis heute unauslöschlichen Stempel auf. In seiner Wohnung in der Wohllebengasse haben Erhard und seine Frau Helga in den 80er-Jahren unzählige eindrucksvolle und umstrittene osteuropäische Persönlichkeiten wie den Montenegriner Rebellen Milovan Đilas und den genialen Denker Leszek Kołakowski oder den späteren kroatischen Staatschef Franjo Tuđman mit österreichischen Journalisten und Kulturschaffenden bekannt gemacht. Auch ich hatte bei ihm seinerzeit den künftigen ungarischen Staatspräsidenten Árpád Göncz kennengelernt. Im Gegensatz zu den meisten seiner Parteifreunde haben solche Persönlichkeiten wie Václav Havel und Karel Schwarzenberg, Adam Michnik und György Konrád seinen Beitrag zum Zerfall des Kommunismus östlich der Elbe nicht vergessen.

Unermüdlicher Warner

Zu seinem 70. Geburtstag hatte ich im STANDARD Friedrich Nietzsches Feststellung zitiert: "Wer viel denkt, eignet sich nicht zum Parteimann; er denkt sich bald durch die Partei hindurch." Erhard Busek war immer für einen treffenden "Sager" gut. Dadurch hat er natürlich geistig weniger begabte Kollegen in Windeseile in lebenslange Feinde verwandelt. Ein unermüdlicher Warner war er vor fremdenfeindlichen und antisemitischen Tendenzen. Viele Menschen hat er gefördert, wenige blieben ihm dankbar. Das komplexe Verhältnis zwischen ihm und Wolfgang Schüssel, dem lebenslangen jeweiligen Nachfolger in allen seinen Spitzenpositionen, wäre ein dankbares Thema für eine zeitgenössische Novelle.

Ich verdanke ihm sehr viel. Als ich wegen meiner Kritik am Orbán-Regime 2010 verleumderischen Angriffen ausgesetzt war, hat er mich sofort von sich aus in zwei öffentlichen Stellungnahmen verteidigt. Die von mir redigierte Vierteljahresschrift "Europäische Rundschau" hat er von Anfang an 47 Jahre lang als Autor und einige Jahre als Wissenschaftsminister bis zuletzt gefördert. Aus seinen zahlreichen, stets anregenden Büchern und Studien haben Generationen, auch ich, viel über Österreich und die Beziehungen zu den osteuropäischen Nationen gelernt. Trotz gesundheitlicher Rückschläge hat er jedem, der (oder die) sich an ihn gewandt hat, ohne Zögern mit Rat und Tat geholfen. Er war auch in schwierigen Zeiten ein kluger Patriot und ein überzeugter Europäer; für mich auch ein verlässlicher Freund. (Paul Lendvai, 16.3.2022)