Es gab eine Zeit, da war Österreich stolz darauf, Test-Europameister zu sein. Eine Zeit, in der die Worte "testen, testen, testen" Fixbestandteil vieler Pressekonferenzen waren und in der Politikerinnen und Politiker sich damit rühmten, wie oft sie sich testen lassen würden.

Diese Zeit ist vorbei. Österreich bietet künftig weniger Corona-Tests an, schränkt damit seinen eigenen Überblick über die Pandemie weiter ein, lässt aber gleichzeitig immer mehr Maßnahmen fallen. Man setzt ganz offensichtlich auf Durchseuchung, will das allerdings nicht zugeben. Das ist ein Problem.

Denn: Wir Menschen sind lernfähig. Jeden Tag nehmen wir Einflüsse auf, ziehen Schlüsse daraus, handeln entsprechend. Nur deswegen war es möglich, unser aller Alltag vor genau zwei Jahren massiv umzukrempeln, unsere Kontakte einzuschränken, unser Leben auf ein Minimum herunterzufahren. Das hat uns vor vielen Todesfällen bewahrt, in Österreich und auch in anderen Ländern. Und ja, das hat auch unangenehme Begleiterscheinungen mit sich gebracht.

Je fünf PCR- und Antigentests werden künftig pro Person und Monat ausgegeben.
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Klar, die damalige Kommunikation war nicht ideal. Die täglichen Pressekonferenzen nervenaufreibend, voll Wiederholungen und immer neuen Horrornachrichten. Dass sogar Regeln verkündet wurden, die so nicht vom Gesetz gedeckt waren, war völlig unzulässig. Doch die Kommunikation, die bisweilen sogar in Pädagogik umgeschlagen ist, hat ihren Zweck erfüllt: Jede Person in Österreich hatte ab dem März 2020 intus, dass man im Zweifelsfall lieber zu Hause bleibt, als auf eine Party zu gehen.

Debriefing

Nun, da das Ende der Pandemie eingeleitet wird, fehlt allerdings jede Form von durchdachter Kommunikation – Debriefing könnte man auch dazu sagen. Die Regierung überhastet sich in immer weiteren Lockerungen, nimmt sich aber offenkundig nicht die Zeit, diese schlüssig zu erklären.

Fraglich – und noch viel fragwürdiger – ist auch, ob sie sich die Zeit nimmt, Experten und Expertinnen zu ihren Entscheidungen zu befragen. Immerhin wurde auch die Forderung des wichtigsten Beratungsgremiums Gecko nach Schutzmaßnahmen vom Gesundheitsminister am Dienstag live im Fernsehen abgeschmettert. Nun mag es vielleicht dennoch Gründe geben, warum man lockern kann: Omikron verläuft oft mild, Quarantänefälle belasten die Personalsituation, auch in Spitälern, und ja, Tests sind teuer.

Doch die Politik hat es verpasst, diese Argumente in einer öffentlichen Debatte gegen das Faktum abzuwägen, dass immer noch zahlreiche Menschen an Corona sterben, dass Long Covid bald zu einem riesigen Problem werden wird – und es sogar schon ist.

So steht nun ein großer Teil der Menschen da und weiß nicht mehr so recht, was nun angebracht ist und was nicht. Zu oft schon wurde die Pandemie für beendet erklärt, zu oft schon wurde blind in die nächste Welle gestolpert. Und: Zu oft schon wurde das Vertrauen der Menschen verspielt. Was bleibt, ist das Gefühl, dass nun jenen recht gegeben wird, die eigentlich monatelang als "Corona-Skeptiker" und "Maßnahmenkritikerinnen" bezeichnet wurden.

Was die aktuellen Lockerungen betrifft, so kommt das zu spät. Doch die Regierung sollte diesen Diskurs schleunigst nachholen – noch bevor sie die nächsten Lockerungen verkündet. Also bald. (Gabriele Scherndl, 15.3.2022)