Viele Vertriebene aus der Ukraine kommen am Hauptbahnhof in Wien an.

foto: apa/tobias steinmaurer

Wien – Im Austria Center Vienna (ACV) in Kaisermühlen hat die eine Krise die andere abgelöst. Vor kurzem ging man hier noch von Station zu Station, um sich nach und nach seine Impfstiche gegen das Coronavirus abzuholen. Heute sind es Kriegsvertriebene aus der Ukraine, die in die riesigen Hallen kommen, um sich in Österreich registrieren zu lassen und um temporären Schutz anzusuchen. So können sie vorübergehend im Land bleiben und arbeiten.

Bisher wurden in Österreich 34 solcher behördlichen Erfassungsstellen hochgezogen. Es sollen noch einige mehr werden, hieß es bei einem Hintergrundgespräch des Innenministeriums am Dienstag. Auch in Wien wird eine weitere Stelle in der Messehalle aufgebaut, um den stetig steigenden Bedarf zu stemmen. In der Hauptstadt kommen die meisten Menschen aus der Ukraine an.

Freie Zimmer

Im ACV versucht etwa die Diakonie, Geflüchteten auch gleich Wohnraumspenden zu vermitteln. Diese reichen von freien Zimmern bis zu leerstehenden Wohnungen. Die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen verfügt derzeit über 3000 freie Quartierplätze, in den Bundesländern soll es derzeit an die 34.000 geben, die aber noch auf ihre Tauglichkeit überprüft werden müssen, hieß es.

Von den ukrainischen Flüchtlingen wollen aber bisher die wenigsten in Österreich bleiben, die meisten wollen in Länder wie Deutschland oder Italien weiterziehen, teilte das Ressort mit. 129.000 Ukrainerinnen und Ukrainer seien bisher eingereist, etwa 4.000 davon konnten bisher hierzulande registriert werden.

Sichere Luftbrücken

Mit Aufnahmebereitschaft allein, wie sie nach der Aktivierung der EU-Massenzustrom-Richtlinie in der gesamten Union herrscht, sei das nicht zu meistern, sagen hingegen der Migrationsexperte Gerald Knaus und die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper. "Wenn wir nicht wollen, dass Chaos ausbricht und die Vertriebenen hilf- und schutzlos in ganz Europa herumirren, braucht es Resettlement direkt aus den überforderten Nachbarländern des Kriegslandes über sichere Luftbrücken", sagt Krisper.

Das schlägt auch Knaus vor. Ein erster Schritt könnte die Einsetzung eines Koordinators für eine europäische Luftbrücke sein, "wie 1948 für Berlin", zieht er einen historischen Vergleich.

UNHCR für Start von Relocation in der EU

Resettlement wäre eine vom UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR mitorganisierte längerfristige Neuansiedlung von Ukraine-Flüchtlingen, auch über die EU hinaus, etwa in die USA oder nach Kanada, sagt Ruth Schöffl vom UNHCR in Österreich. Schon jetzt jedoch könnte – und sollte – Flüchtlingsrelocation innerhalb der EU vorbereitet und gestartet werden: die Übersiedlung Vertriebener aus einem Unionsland in ein anderes, sagt Schöffl.

Auf Relocation-Programme hatte die EU-Kommission schon während der großen Fluchtbewegung 2015/16 gesetzt und Quoten vorgeschlagen. Das hatte bei weitem nicht den Erfolg, den es gebraucht hätte. Ungarn und Polen sowie auch Österreich verweigerten. Auch jetzt müssten sich die EU-Staaten auf eine solche Verteilung einigen. Die Massenzustrom-Richtlinie sieht sie nicht vor. (Irene Brickner Jan Michael Marchart, 16.3.2022)