Der Wiener Stephansdom wurde zuletzt aus Solidarität mit der Ukraine in deren Landesfarben Blau und Gelb bestrahlt.

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Wien – So viele Anrufe gab es in der Kanzlei der Dompfarre zu St. Stephan in Wien schon lange nicht mehr. Bis nach Niederösterreich hat man angeblich die Glocken des Stephansdoms gehört, die mitten in der Nacht auf Mittwoch plötzlich geläutet haben. "Es war ein technisches Gebrechen, vermutlich ein Fehler in der Computersteuerung", hatte es zunächst auf Anfrage des STANDARD geheißen. Doch wie sich im Laufe des Mittwoch herausstellte, dürfe es sich um einen Hackerangriff gehandelt haben.

Online-Verbindung für Fernwartung

Unbekannte hätten sich Zugang über die Firewall verschafft und ausgenutzt, dass für die Fernwartung eine Internetverbindung mit der zuständigen Innsbrucker Glockenfirma besteht, ließ Dompfarrer Toni Faber durchblicken, dem es in der Nacht gelungen war, nach rund 20 Minuten das Geläute gegen 2.30 Uhr abzuschalten. Demnach haben der oder die Hacker zunächst das sogenannte Festgeläute im Südturm mit insgesamt elf Glocken und danach das barocke Geläute im nördlichen Heidenturm gestartet. Die Pummerin sei nicht betroffen gewesen, diese habe keine Online-Verbindung.

Auch Kardinal Schönborn aufgeweckt

Laut Austria Presse Agentur wurde Faber in der Nacht von Kardinal Christoph Schönborn direkt angerufen worden, er habe das Telefon aber erst beim zweiten Anruf gehört, als er selbst durch die Glocken bereits geweckt worden war. Es sei ihm gelungen, die Glocken "händisch" über ein Tablet zu stoppen. Am Nachmittag habe man die Glocken vom normalen Netz genommen und eine feste VPN-Leitung installiert.

Viele Wienerinnen und Wiener hatten in der Nach befürchtet, dass das Geläut einen aktuellen Anlass haben könnte, etwa dass der Papst verstorben oder der Krieg in der Ukraine vollends eskaliert sei. Zuletzt war der Dom aus Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine in deren Landesfarben Blau und Gelb bestrahlt worden.

Spekulationen über Hacker

"Wir entschuldigen uns bei allen, die geweckt wurden", betonte Michael Prüller, der Pressesprecher der Erzdiözese Wien. Seinen Worten zufolge wusste man bis Mittwochnachmittag nichts über die Herkunft des Hackerangriffs – "da gibt es nur wilde Spekulationen".

Kabarettist Michael Niavarani nahm das nächtliche Geläute mit Humor: "Also entweder läuten in Wien gerade die Kirchenglocken, oder ich hab einen katholischen Tinnitus", teilte er via Facebook mit. (Michael Simoner, 16.3.2022)