Politisch inkorrekte Witze: Darf man sie erzählen? Darf man drüber lachen?
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Pro
von Karl Fluch

Ich bin ein großer Anhänger des politisch Korrekten. Das würde uns eine Menge U-Ausschüsse ersparen, Steuergeld, Scharlatane und Volksverhetzer, ja sogar Kriegstreiber blieben uns erspart, handelten sie politisch korrekt. Beim Humor aber sag ich, leckts mich am Arsch.

Humor zählt zu den unreglementierbaren Bereichen des Lebens. Er hilft uns, das Unerträgliche zu ertragen und damit klarzukommen, dass wir schlechte, fehlerhafte und heuchlerische Kreaturen sind. Und dass die anderen die noch viel depperteren, behinderteren, bladeren und blöderen Trotteln sind, kein Witz. Diese Erkenntnismöglichkeit muss gewahrt bleiben.

Sie in Grenzen weisen zu wollen, indem man meint, ein moralisch illuminierteres Wesen zu sein als andere, ist eine jener Anmaßungen, die uns zu schlechten und heuchlerischen Kreaturen machen, selbst wenn es unter dem Deckmäntelchen der Weltverbesserung geschieht, das kaum je mehr bedeckt als schnöde Eigeninteressen.

Dazu fiele mir jetzt grad ein arger Witz ein, aber dafür ist leider kein Platz mehr.

Kontra
von Oona Kroisleitner

Humor ist eine subjektive Sache. Was den einen vor schallendem Gelächter gar nicht mehr still sitzen lässt, bewirkt bei der anderen kaum eine Regung der Mimik. Und besonders dann, wenn es um politisch unkorrekte Schmähs geht, sind die Antworten für das Ausbleiben eines Lachers schnell gefunden: Es kann einem da nur eine öde Spaßbremse gegenübersitzen, die gleich die Moralkeule schwingen wird. Oder neudeutsch: Achtung, Cancel-Culture!

Dass der Joke einfach nicht lustig ist – undenkbar. Wer lacht nicht gerne über jene, die in der Gesellschaft sowieso diskriminiert werden? Oder wie viele Witze kennen Sie über Vorstandsmitglieder, Firmenchefs und Uniprofessoren? Man lacht über Frauen, Übergewichtige, Schwule, Migrantinnen oder anders Schlechtergestellte. Da kann man sich viel einfacher selbst besser fühlen.

Die Späßchen machen aber nicht nur deutlich, dass dem Erzähler die Gruppe der Belächelten wurscht ist. Sie reproduzieren Rollenbilder und verfestigen Klischees. Dass sich das ändert – ja, das ist auch Eigeninteresse. Denn wenn das alles so bleibt, ist das alles andere als zum Lachen. (RONDO exklusiv, 27.3.2022)