Zwei Jahre lang alles an sozialer Aktivität auf das absolute Mindestmaß reduziert; bei sämtlichen Kontakten extrem aufgepasst, ja niemanden zu gefährden, vor jedem Treffen natürlich immer zeitgerecht getestet; jede der drei Impfungen so früh wie möglich – und sinnvoll – abgeholt. Und jetzt das: Die Covid-Maßnahmen bereits massiv reduziert, werden nun auch die Testmöglichkeiten zurückgefahren. All das, während sich die Infektionszahlen gerade auf Rekordniveau bewegen.

Das Ergebnis ist so erwartbar wie unerfreulich: Im eigenen Umfeld mehren sich plötzlich die Berichte über Covid-Infektionen. Just bei denen, die ebenso vorsichtig waren, die sich zuvor noch nie angesteckt haben. Jenen also, die aktiv dazu beigetragen haben, Schlimmeres zu verhindern, die Verbreitung des Virus zu bremsen.

Die Tests zurückgefahren, die Maßnahmen reduziert, die FFP2-Maske wird seltener. Das wirkt angesichts der aktuellen Zahlen auf viele wie ein Hohn.
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Klar, die Impfung schützt. Ebenso unumstritten: Die derzeit vorherrschenden Varianten sind, soweit derzeit bekannt, weniger gefährlich. Das ist alles erfreulich, aber was dabei irgendwie ausgeblendet wird: Ein geringeres Risiko ist nun einmal etwas anderes als "kein Risiko". Dass die Definition des Begriffs "leichter Verlauf" sehr dehnbar ist, sollte sich mittlerweile ebenfalls herumgesprochen haben. Und so gibt es auch jetzt viele, die zum Teil wochenlang mit dem Virus zu kämpfen haben. Von all den Long-Covid-Risiken, die in der Diskussion nun offenbar überhaupt keine Rolle mehr zu spielen scheinen, ganz abgesehen.

Der Druck steigt

Jetzt lässt sich natürlich sagen: Mit dem Griff zur Maske hat man es doch selbst in der Hand! Dass diese ein probates Mittel zum Schutz vor einer Infektion darstellt, ist tatsächlich unumstritten. Trotzdem geht dieser Hinweis an der Realität vorbei. In dem Moment, wo der soziale Druck steigt, wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren, anstatt im Homeoffice zu verweilen, wo überall wieder mehr Leute ohne Maske unterwegs sind, wenn das Gedränge wieder stärker wird, ist dieser Schutz in der Praxis nur mehr begrenzt aufrechtzuerhalten – vor allem wenn man nicht komplett sozial isoliert werden will. Und wer Kinder hat, der hat sich "dank" der Maßnahmenreduktion in Schulen wohl Covid ohnehin spätestens in den vergangenen Wochen nach Hause geholt.

Realistisch gesehen ist insofern eigentlich derzeit nur mehr die Frage, wann man mit Covid-19 angesteckt wird – und nicht, ob. Ganz subjektiv ausgedrückt fühlt sich das so an, als würde man derzeit dem Virus zum Fraß vorgeworfen. Das ist eine Ohrfeige ins Gesicht derer, die sich jetzt jahrelang an die Maßnahmen gehalten haben. All das, während die Maßnahmengegner, also jene, die zum Teil komplett auf den Schutz ihrer Mitmenschen gepfiffen haben, nun jubilieren. Viel verheerender könnte das Signal, das damit ausgesendet wird, eigentlich nicht sein. (Andreas Proschofsky, 16.3.2022)