Im Gastbeitrag erinnern sich die ehemaligen "Jung-Alpbacher" Verena Ehold, Bernhard Marckhgott, Hedvig Morvai, Filip Radunović und Matthias Strolz an den ehemaligen Alpbach-Präsidenten Erhard Busek.

"Ich hab' Geld zu meinem Geburtstag gesammelt. Holt damit junge Serbinnen und Serben nach Alpbach." Das war der Wunsch von Erhard Busek im Jahr 2000, kurz nachdem die Bomben auf Belgrad niedergegangen waren. Die jungen Menschen vor Ort waren gleichsam in ihrem Heimatland eingeschlossen, sie konnten ohne Visum nicht ausreisen. Und ein solches zu bekommen, war schwierig.
Erhard Busek wusste, dass es für die Zukunft des Landes wichtig war, die Köpfe und Herzen der jungen Menschen zu gewinnen. Sie sollten nicht dem blindwütigen Nationalismus anheimfallen, sie sollten Europa erleben. The European Way of Life – Europa eine "Seele" geben (wie er auch eines seiner zahlreichen Bücher betitelte). Eine Wertegemeinschaft, die auf Freiheit, Demokratie und Achtung der Menschenrechte basiert und Grundfreiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit garantiert. Freiheit in Verbundenheit. Dafür brannte er, dafür rannte er. Und die Jugend war dabei stets sein großes Herzensanliegen.
"Er war ein Titan der Inspiration."
So war es auch nur logisch, dass er die Jugend mit ins Zentrum holte, als er im Jahr 2000 die Präsidentschaft des Europäischen Forums Alpbach übernahm. Davor waren die jungen Menschen oft "nur" geduldete Zaungäste. Nun wurden sie gefragt, gehört, involviert. Und die Jugend nahm die Einladung an. Wir gründeten Alpbach-Initiativgruppen in den Universitätsstädten Österreichs und in einigen anderen europäischen Ländern … Und schon ging der "Spirit of Alpbach" viral. Heute zählen wir quer durch Europa mehr als 30 Vereine, die den Geist der europäischen Einigung, den kritischen Diskurs und den interdisziplinären Dialog auch das Jahr über kultivieren und mit Hundertschaften von jungen Menschen in der zweiten Augusthälfte dann in den Tiroler Bergen aufwarten. Erhard Busek trug das europäische Feuer höchstpersönlich in alle Himmelsrichtungen. Gerade in Mittel- und Südosteuropa gab es keine Hauptstadt, in der er sich nicht mit Präsenz vor Ort für eine Gründung einsetzte. Er war ein Titan der Inspiration.
Ein Brückenbauer
Das veränderte auch das Antlitz des Europäischen Forums Alpbach. Es durchlebte in den frühen 2000er-Jahren eine Renaissance, bei der mehrere Hundert internationale Studierende als Stipendiatinnen und Stipendiaten neue Perspektiven "Richtung Westen" suchten. Neben sehr großen ukrainischen Gruppen bevölkerten insbesondere Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem ex-jugoslawischen Raum das Bergdorf und geben dem Forum noch bis heute eine prägende mitteleuropäische Duftnote. Gerade für diese Jugend wirkte Erhard Busek als Brückenbauer. Wobei es ihm nicht vordergründig um ein geografisches oder geschichtliches, sondern ein geistiges Konzept ging. Im Zentrum standen dabei immer der interkulturelle Dialog und die Generationenvernetzung zur Überwindung des komplexen autoritären, postsozialistischen Erbes. Mit der Hoffnung, dass die damals Jungen eines Tages die Geschicke eines friedlichen, geeinten Europas gemeinsam bestimmen werden. Eine Weitsicht, die insgesamt auf unserem Kontinent zu wenig Unterstützung gefunden hat, wie uns die tragischen Ereignisse dieser Tage lehren.
Legendär bleiben die unzähligen Begegnungen in Alpbach und darüber hinaus, in denen Busek als wichtiger Zeitzeuge seinen Erfahrungsschatz aus der Wendezeit weitergab. Durch seinen Spürsinn als Talentesucher umgab er sich auch im Alpbach-Kontext mit "bunten Vögeln": in seinen Augen die kritischeren, vorlauten, teils auch unangepassten jugendlichen Stimmen, in der intimen Hoffnung, dass diese mit zunehmendem Alter nicht verblassen. Über Alpbach hinaus förderte er unzählige zivilgesellschaftliche und geisteswissenschaftliche Initiativen, die den Kern seines Politikverständnisses widerspiegelten: Europa als humanistische Großmacht, als Zuhause, als Auftrag, als Pflicht und als Verantwortung – getragen von Demokratie, Kultur, Bildung und Forschung als Eckpfeilern.
Sorge um "sein" Europa
Bis zuletzt blieb er im Geiste einer von uns. Einer der Jungen, teils rebellischen, mit denen man über alles reden konnte. Zeitgemäßer und offener als ein Großteil der meisten politischen Eliten und Denker. Sein mit dem Alter zunehmend jugendliches, lautes Lachen flankierte stets seinen unermüdlichen Kampfgeist und seinen Einsatz für Ideen und Konzepte, von denen er zutiefst überzeugt war. Aber auch die Sorge um "sein" Europa, der er durch den Krieg in der Ukraine ganz plötzlich und ohnmächtig ausgesetzt war, bleibt eine bittertragische Fügung in den Tagen von Erhard Buseks irdischem Abschied. (Mittel-)Europa verliert im Jahr 2022 einen seiner Großen, während es wieder von Bomben zerstört wird.
Wir sind mit Erhard gealtert, inzwischen auch "Alt-Alpbacherinnen" und "Alt-Alpbacher", aber bleiben wie er zeit seines Lebens vom europäischen Feuer entfacht. Wir reichen es weiter. Der Jugend, der Zukunft, der Seele Europas verpflichtet. Erhard Buseks Leben und Wirken ist uns ein Auftrag: Es gibt noch viel zu tun! (Verena Ehold, Bernhard Marckhgott, Hedvig Morvai, Filip Radunović, Matthias Strolz, 16.3.2022)