Kurze Strategiebesprechung zwischen Verteidiger Werner Tomanek und dem Angeklagten

APA/THOMAS LEISS

Vom großen Revoluzzertum war an diesem Mittwochvormittag nichts mehr zu spüren. Der 38-Jährige wird, begleitet von einer Schar an Polizeibeamten, in Handschellen direkt aus der U-Haft in den Saal geführt. Auf der Anklagebank am Landesgericht Linz nimmt ein schmächtiger Mann in grauem Hemd, grüner Hose und hellen Sneakers Platz. Um den Hals trägt der Oberösterreicher eine Kette mit einem großen Stein.

Doch alleine die enormen Sicherheitsvorkehrungen an diesem Verhandlungstag machen klar, dass die Anklageschrift durchaus brisante Vorwürfe umfasst. Unter anderem wirft die Staatsanwaltschaft dem dreifachen Familienvater Bestimmung zum Amtsmissbrauch, Verleumdung, falsche Beweisaussage und gefährliche Drohung vor. Über all diesen Delikten steht die Pandemie. Oder, exakter, die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, mit denen sich der Angeklagte so gar nicht anfreunden konnte. Oder, um es mit den Worten des Staatsanwalts zu sagen: "Eine Kritik an staatlichen Maßnahmen ist zulässig – aber hier wurde die Grenze, was man in einer Demokratie darf, bei weitem überschritten."

Radikaler Biogärtner

Die Saat brachte der selbsternannte Biogärtner mit Beginn der Pandemie vor gut zwei Jahren aus, dann keimte Wut, und die Ernte fuhr der "Ehrenpräsident" eines Linzer Gartenvereins in Form eines Kleinkriegs gegen die Behörden ein. Zudem trat er als Organisator der Linzer Corona-Demos ins Scheinwerferlicht der Maßnahmenkritiker.

Der Startschuss für die coronale Provokationstour fiel aber im Februar nach einer Corona-Demo im oberösterreichischen Rohrbach. Gemeinsam mit einem Bekannten wird der Angeklagte im Zuge einer Verkehrskontrolle aufgefordert, die Beamten auf den Posten zu begleiten. Während der Fahrer dort eine Urinprobe abgeben muss, zeigt sich der Angeklagte wenig kooperativ, indem er laut Anklage "das linke Bein hebt und einen Furz in Richtung des Polizeibeamten lässt". Weiters heißt es darin: "Dem Hinweis, dies in einem Amtsgebäude zu unterlassen, folgt ein neuerlicher Furz." Oder, wie es der Angeklagte in einem später angefertigten Youtube-Video kundtut: "Es war ein Schas der Erkenntnis."

Wachzimmer-Tumult

Was folgt, ist ein Handgemenge mit der Polizei, da sich der 38-Jährige weigert, das Wachzimmer zu verlassen. Als Zeuge habe der Mann, so die Anklagebehörde, später ausgesagt, dass er von einem Polizisten verletzt und sein Hemd zerrissen worden sei. Das entspreche der Verleumdung und falschen Zeugenaussage.

Von Mai bis Juli 2021 sei der Angeklagte immer wieder in gröbere Konflikte mit der Polizei und Behörden verwickelt gewesen. Im Wesentlichen habe er Beamte bedroht. Der Mann forderte laut Anklage die Beamten auf, ihre aus seiner Sicht gesetzwidrigen Handlungen einzustellen. Er drohte demnach den Mitarbeitern der Bezirkshauptmannschaft und auch einem Richter des Landesverwaltungsgerichts an, ihre persönlichen Daten zu veröffentlichen, und schickte ihnen Haftungserklärungen, wonach sie für ihre Amtshandlungen persönlich haften würden.

Dazu habe er Videos und auch Dokumente mit Namen der Beamten in sozialen Netzwerken veröffentlicht, außerdem habe er in den Videos andere aufgefordert, es ihm gleichzutun, Behördenvertreter anzuprangern, ihre Daten zu veröffentlichen und ihnen private Haftungserklärungen zu schicken. Die Fülle des Tatzeitraums und "die Vehemenz der Angriffe zeigt, dass die Handlungen überlegt waren und der Angeklagte darauf abzielte, es drauf ankommen zu lassen", sagt der Staatsanwalt.

Der Justizhammer

Verteidiger Werner Tomanek bezeichnet in seinen Ausführungen die Sachen als "deppert" und zeigt sich verwundert, dass sein Mandant es damit schaffte, "in drei Monaten die geballte Staatsgewalt in Linz und Urfahr-Umgebung gegen sich aufzubringen". Tomanek: "In Wien haben wir offensichtlich eine größere Hiasl-Dichte, und einer wie mein Mandant würde völlig untergehen." Der 38-Jährige habe es aber "bunt getrieben" und sei "im Austeilen besser als im Einstecken". Tomanek: "Aber irgendwann zeigt dir halt die Justiz, wo der Hammer hängt." Sein Mandant habe mittlerweile erkannt, dass "die letzten zwei Jahre keine seiner besten Schaffensperioden waren".

Häfn-Nachdenkpause

Der Angeklagte selbst, gegen den derzeit auch Ermittlungen nach dem Verbotsgesetz laufen, bekennt sich dann teilweise schuldig und legt ein Tatsachengeständnis ab. Oder, um es mit den Worten des Richters zu sagen: "ein hatschertes Geständnis". Der 38-Jährige, der sich bei zwei anwesenden Zeugen auch persönlich entschuldigt, führt aus, er habe "in zwei Monaten Einzelhaft viel Zeit zum Nachdenken gehabt". Es sei die schlimmste Zeit seines Lebens gewesen. "Ich habe vor Corona ein anständiges Leben geführt, dann ist alles aus den Fugen geraten. Ich habe mich so ungerecht behandelt gefühlt." Aber er habe nun einen Schlussstrich gezogen und wolle sein Leben "neu ausrichten".

Das Schöffengericht verurteilte den Mann letztlich wegen Verleumdung, falscher Beweisaussage, übler Nachrede, Beleidigung und Fälschung eines Beweismittels zu einem Jahr Freiheitsstrafe, davon acht Monate bedingt auf drei Jahre. Freigesprochen wird er im Zweifel von den Vorwürfen der gefährlichen Drohung und der Bestimmung zum Amtsmissbrauch. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (Markus Rohrhofer, 16.3.2022)