
Der angeklagte 41-Jährige wird aufgrund eines organisatorischen Problems erst mit einiger Verspätung von der Justizwache in den Verhandlungssaal gebracht.
St. Pölten – "Gibt's irgendwas, das in dem Verfahren funktioniert?", fragt der Vorsitzende des Schöffengerichts in St. Pölten im Prozess gegen den "Ibiza-Detektiv" Julian Hessenthaler in die Runde. Denn im Saal wartet man bereits seit zehn Minuten auf den 41-jährigen Angeklagten, der aus der Untersuchungshaft zum sechsten Verfahrenstag vorgeführt werden soll. Der Stoßseufzer ist für den eher für emotionale Ausbrüche bekannten Vorsitzenden erstaunlich friedlich – hat er doch in einem Telefonat mit der Justizwache eben eruiert, dass die Beamten mit Hessenthaler vor dem falschen Saal warteten.
Als der Angeklagte schließlich da ist, erklärt er auf die Frage des Vorsitzenden, es gehe ihm gesundheitlich "begrenzt". Er leide an einer Magen-Darm-Erkrankung und habe am Vortag noch Fieber gehabt, verrät Hessenthaler, dem von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird, in den Jahren 2017 und 2018 bei drei Gelegenheiten einem Bekannten 1,25 Kilogramm Kokain zum Grammpreis von 40 Euro verkauft zu haben. Der Angeklagte und seine Verteidiger bestreiten das und vermuten ein abgekartetes Spiel.
Videokonferenz mit Serbien
Am Mittwoch wird ein Detail behandelt, das, wie sich herausstellt, mit dem Prozess nur indirekt zu tun hat. Die Mutter des bereits im Herbst 2020 in Salzburg verurteilten angeblichen Drogenkäufers, der gleichzeitig der Hauptbelastungszeuge gegen Hessenthaler ist, wird per Videokonferenz in Serbien einvernommen. Sie erzählt, dass sie noch vor der Hauptverhandlung gegen ihren Sohn einmal in ihrer Heimatstadt das Hoftor schließen wollte, als sie dort zwei Männer bemerkte.
"Ich habe die beiden Herren angesprochen, da ich dachte, sie haben sich verirrt", erinnert die Zeugin sich. Stattdessen erklärte einer der Unbekannten, sie würden Frau XY suchen, und nannte ihren Namen. "Ich habe gesagt, dass ich das bin, dann haben sie sich nach meinem Sohn erkundigt. Ich habe gesagt, er ist nicht da. Da sagte der eine, mein Sohn möge aufpassen, was er vor Gericht aussagt, sonst werde das Folgen haben", erinnert die Frau sich. Als sie die Männer aufforderte zu gehen, sagte einer zu ihr: "Wir haben es Ihnen gesagt."
Noch vor dessen Prozess habe sie das ihrem damals in Untersuchungshaft befindlichen Sohn erzählt – dieser begründet mit der Angst um die Mutter, warum er Hessenthaler, den er als Auftraggeber der Drohung verdächtigt, ursprünglich nicht belastet hat und erst nach seiner Haftentlassung gegen ihn aussagte. Sonst habe sie niemandem den Vorfall geschildert, beteuert die Zeugin, obwohl zwei Personen im Prozessverlauf ausgesagt haben, die Mutter habe sie darüber informiert.
Unbekannte nannten keinen Auftraggeber
Auf Nachfrage der Verteidiger bestätigt die Zeugin, dass weder davon die Rede gewesen war, ob die Unbekannten von jemandem mit der Botschaft beauftragt worden seien, noch, von wem.
"An sich wären alle bereit – schon seit längerem bereit –, das Verfahren zu Ende zu bringen", eröffnet der Vorsitzende nach Trennung der Videoverbindung dem Angeklagten. Der will aber unbedingt noch eine zusammenfassende Stellungnahme abgeben – und dafür fühle er sich in seinem Zustand nicht in der Lage.
"Wir könnten seit Dezember fertig sein", hält der Vorsitzende fest, stellt Hessenthaler aber eine Vertagung frei. Nach einem bissigen Wortgefecht mit den Verteidigern wird schließlich auf den 30. März vertagt, an dem Stellungnahme, Schlussplädoyers und Urteil folgen sollen. Falls alles funktioniert. (Michael Möseneder, 16.3.2022)