Foto: Nintendo
Foto: Nintendo
Foto: Nintendo
Foto: Nintendo
Foto: Nintendo
Foto: Nintendo
Foto: Nintendo
Foto: Nintendo

Als rosa Ball hat man es nicht gerade einfach. Nicht einmal in der Prügelorgie "Super Smash Bros." wird man im kompetitiven Kampf ernst genommen, man ist einfach der runde, weichliche Pummel mit viel zu viel Hunger. Vielleicht hat sich Nintendo deswegen gedacht, Kirby in eine realistischere Welt als seine Heimat Dream Land zu schicken, denn irgendwann müssen wir uns alle abhärten, oder?

Postapokalyptische Erkundungstour

In "Kirby und das vergessene Land" landet die rosa Kugel in einer erdähnlichen, aber untergegangenen Welt: Ganze Städte stehen leer, Wolkenkratzer sind eingestürzt und von Natur bewachsen. Ob Wüstenödnis, Meerespracht oder Schneegebiet, die Level führen durch menschengemachte Gebiete, die nun von Kreaturen und Gegnern der "Kirby"-Serie besiedelt sind. Es ist das erste Game der Reihe mit 3D-Umgebung, im Gegensatz zu den sonst bekannten Side-Scrolling-Leveln. Nichtsdestotrotz hat man die Linearität wohl oder übel beibehalten.

Ziel ist es, die in diese ominöse postapokalyptische Welt verschleppten Waddle-Dee-Kreaturen zu befreien. Dazu muss Kirby nicht nur ein Level von A nach B durchqueren, sondern jede Ritze, jedes Eck untersuchen, Geheimgänge finden und spezielle Aufgaben lösen. Denn nur mit genügend Waddle-Dees schreitet man im Spiel voran, öffnet neue Level und kann Bossgegnern am Ende eines Gebiets entgegentreten.

Dafür stehen Kirby wie gehabt unterschiedliche Fähigkeiten zur Verfügung, die er durch das Einsaugen der Gegner kopiert: Feuer spucken, Schwert schwingen oder einen Wirbelwind einsetzen gehören schon lange zum Repertoire des rosaroten Helden. Neu im "Kirby"-Kanon sind die Bohrer- und Entdeckerfähigkeiten. Mit dem Bohrer taucht man tief in die Erde ab und attackiert Gegner von unten oder entdeckt Geheimwege über Tunnel. Der Entdecker dagegen drückt Kirby eine Schusswaffe in die Hand, um Feinde oder Zielscheiben gekonnt abzuknallen. Letzteres überrascht dann doch in einem kinderfreundlichen Game, man würde sich eher so etwas wie eine Spritzpistole im Equipment erwarten.

Gameplay-Updates

Um dem Game eine gewisse Taktik zu verleihen, kann man in "Kirby und das vergessene Land" die Spezialkräfte weiterentwickeln. Neben den klassischen Leveln muss man als Spielerin oder Spielerin auch kurze Mini-Geschicklichkeitswelten absolvieren, deren Abschluss mit einem Stern belohnt wird. Mit diesen Sternen lassen sich Fähigkeiten upgraden: So wird der Feuerball zum Flammenwerfer und in der letzten Entwicklungsstufe zum Drachenfeuer, der Hammer zu einer gewaltigen schwingenden Waffe und die Eis-Power zu einem Blizzard, der das Blut der Feinde gefrieren lässt. Die Upgrades sind dringend notwendig, um Welten zu absolvieren und im Lauf des Spieles stärker werdende Feinde einfacher auszuschalten.

Der Vollstopfmodus ist das neue zentrale Feature des Switch-Teils. Ob Auto, Getränkeautomat oder Verkehrshütchen, Kirby saugt bestimmte Gegenstände ein und nutzt deren Eigenschaften für seine Zwecke. So wird er zum Segel, um Schluchten zu überwinden, in einem anderen Szenario saugt er sich berstend voll mit Wasser und schwemmt Schlamm in die Kanalisation. Aber am witzigsten ist wohl das Kirby-Auto, wenn der rosa Gummiknödel wie ein pinkes Kondom sich über ein Kfz stülpt und durch Parcours und Straßen saust. "Mario Kart" lässt grüßen. Dieses kleine, aber feine Gimmick lockert das Gameplay ungemein auf, und sei es nur, um Geheimpfade zu öffnen oder Extras zu sammeln. Leider gibt es nicht allzu viele Situationen, in denen der Vollstopfmodus zum Einsatz kommt. Umso spannender wäre es gewesen, wenn Kirby wirklich alles, was ihm vor den Mund kommt, aufsaugen und damit interagieren oder es in eine potenzielle Waffe verwandeln könnte.

Zu geringer Schwierigkeitsgrad

"Kirby"-Spiele haben noch nie zu den herausforderndsten Games unter den Nintendo-Franchises gezählt. Darunter leidet auch "Das vergessene Land". Das neue Setting und das an Open-World-Games angelehnte Leveldesign versprechen zwar kniffligere Rätsel und schwierigere Level-Abschnitte, aber selbst in späteren Welten passiert es nie, dass man bei Geschicklichkeitseinlagen oder Kämpfen wirklich nachdenken muss. Das gesamte Game ist ein Durchlauf und schon fast frustrierend einfach. An relevanten Stellen finden sich immer die passenden Fähigkeiten und Gegenstände, um ja nicht backtracken oder suchen zu müssen. Endgegner brauchen zwar etwas mehr Geduld im Kampf, aber auch die sind ohne wirkliche Taktik besiegbar.

Zu Beginn des Games kann man den Schwierigkeitsgrad auswählen, doch jener für Profis ist mehr der "Sehr leicht"-Modus in anderen Games. Es ist bitter, dass "Kirby" für erfahrene Gamer und Gamerinnen ein bisschen uninteressant ist, wenn es so gut wie keine Herausforderungen gibt. Unterhaltsam und knuffig genug ist das Spiel ja.

Selbst die Geheimnisse, die jedes Level bietet, können den Wiederspielwert nicht heben. So gilt es zum Beispiel in einer Welt, alle Schneefiguren zu zerstören, in einem Wasserlevel muss man drei Vögel finden. Damit werden zusätzliche Waddle-Dees für den Spielfortschritt freigeschaltet. Aber wirklich brauchen tut man diese nicht, man kommt auch ohne sie bis ans Ende.

Hübsch und kurzweilig

"Kirby und das vergessene Land" ist das bisher bestaussehende "Kirby"-Game. Es behält die Essenz der beliebten Game-Reihe und implementiert die bekannten quietschbunten Aspekte in einer real anmutenden Welt. Die Macher haben es geschafft, die zwei Universen gekonnt zusammenzufügen und der Serie grafisch einen interessanten Aufputz zu verpassen.

Gewisse Welten überzeugen grafisch mehr als andere: Die Jahrmarktswelt ist eine der spannendsten Umsetzungen der Thematik in einem Nintendo-Game seit langem. So läuft man durch Geisterhäuser und muss, vollgesaugt mit einer Glühbirne, den Weg durch das Labyrinth suchen, während man im nächsten Level durch außer Kontrolle geratene Autodrome navigieren muss. Die von Grünzeug überwachsene Stadt verspricht optisch ein Gefühl von Freiheit und Entdeckungslust, was sonst nur Open-World-Games schaffen. Es macht Spaß, sich durch die klar gestalteten Welten zu bewegen. Jedes Level ist extrem kurzweilig und wird selten mehr als zehn Minuten in Anspruch nehmen, was zum schnellen Abschalten nach einem langen Arbeitstag ideal ist.

Fazit

Nein, "Kirby und das vergessene Land" ist kein Spielhighlight. Es ist schön und süß designt, kurzweilig und ausreichend unterhaltsam. Die Erweiterungen am Gameplay reichen aber nicht aus, um das Switch-Game als Highlight der "Kirby"-Reihe hervorzuheben, auch wenn es ganz kleine Schritte in der Weiterentwicklung der Serie setzt: die Erweiterung der Kräfte und die Interaktion mit der Spielumgebung. Dem Spiel hätten komplexere Level und ein etwas höherer Schwierigkeitsgrad gutgetan, um auch für Veteranen interessant zu sein. So ist das Game viel zu leicht geraten und ein okayer Spielspaß für zwischendurch. (Kevin Recher, 23.3.2022)